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Rettungsleitstelle Wehrleiter fordern Neubau

Es gibt Streit um den Neubau der Rettungsleitstelle in Zerbst. In einem offenen Brief schlagen die Feuerwehrchefs Alarm.

Von Thomas Kirchner 20.10.2020, 01:01

Bitterfeld/Köthen/Zerbst l Die Anhalt-Bitterfelder Gemeinde- und Stadtwehrleiter, Darunter auch der Zerbster Stadtwehrleiter Denis Barycza, gehen auf die Barrikaden: In einem offenen Brief wehren sie sich gegen den Vorschlag aus dem Kreis- und Finanzausschuss Anfang Oktober, das Loch im Kreishaushalt für das kommende Jahr zu stopfen, indem man auf den Bau einer neuen Rettungsleitstelle in Bitterfeld-Wolfen verzichtet. Sie alle, 14 an der Zahl, wandten sich in dem Schreiben an den Landrat, die Kreistagsmitglieder und an die Presse – Kreisbrandmeister Heiko Bergfeld, sein Stellvertreter Andreas Hafermalz und die Abschnittsleiter des Landkreises, Daniel Berg und Berndt-Michael Müller eingeschlossen.

„Dass darüber diskutiert wird, wie ein Haushaltsdefizit von 1,3 Millionen EUR für den Haushalt 2021 beseitigt werden kann, um in der Endkonsequenz die Kreisumlage nicht stark ansteigen lassen zu müssen, begrüßen wir als Stadt- und Gemeindewehrleiter sehr, da Mittel, die durch eine steigende Kreisumlage den Kommunen entzogen werden, unter Umständen auch den Freiwilligen Feuerwehren in unseren Städten und Gemeinden wieder nicht zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Schreiben.

Irritierend erscheine dabei jedoch der Fakt, dass wieder einmal zuerst an der Sicherheit der Bürger im Landkreis gespart werden soll. „Das ist für uns in keiner Weise akzeptabel und an dieser Stelle möchten wir deutlich Stellung für einen Erhalt und den Ausbau unserer Rettungsleitstelle im Landkreis Anhalt-Bitterfeld beziehen“, machen die Führungskräfte der Feuerwehren deutlich.

Eigentlich war der Neubau der Leitstelle bereits für dieses Jahr geplant, dann aber den Sparbemühungen zum Opfer gefallen. Kosten: 1,6 Millionen Euro. Doch jetzt wird die Zeit knapp. Momentan betreibt der Landkreis eine integrierte Leitstelle gemeinsam mit der Firma Siemens, die sich nun allerdings zurückzieht. Nun muss spätestens Ende 2024 eine neue Leitstelle an den Start gehen.

„Grundlage eines zielgerichteten und effektiven Handelns aller Einsatzkräfte ist eine optimale und klar strukturierte Lenkung und Leitung durch die Rettungsleitstelle. Diese Steuerung betrifft jedoch nicht nur die ehrenamtlichen Feuerwehren in unserem Landkreis, sondern vor allem auch den gesamten hauptamtlichen Bereich des Rettungsdienstes“, wissen die Wehrleiter aus Erfahrung.

In Zahlen ausgedrückt würden am Dreh- und Angelpunkt der integrierten Leitstelle jährlich zirka 1600 Feuerwehr- und etwa 34 000 Rettungsdiensteinsätze koordiniert. Breche man diese Zahl auf das Tagesgeschehen herunter, so bearbeiten die Disponenten der Leitstelle täglich um die 100 Einsatzlagen, um in Not geratenen Mitmenschen schnelle, effektive und vor allem zielgerichtete Hilfe zukommen zu lassen, heißt es in dem offenen Brief an den Kreistag.

Die Wehrleiter weisen anhand von Presseberichten unter anderem darauf hin, dass zusammengelegte und integrierte Leitstellen – dieses Modell hatte beispielsweise CDU-Kreistagsmitglied Andreas Wolkenhaar als mögliche Sparmaßnahme in die Diskussion gebracht – in den vergangenen Jahren nicht die gewünschten Effekte gebracht hätten, weil störanfällig, oft einer Ortsunkenntnis unterliegen und dann auch noch wesentlich teurer seien als landkreiseigene Leitstellen. Mit der Reduzierung von drei Leitstellen auf eine und von acht Disponentenplätzen auf drei bei der Kreisgebietsreform 2007 sei eine absolut ausreichende Straffung erreicht worden.

Bis heute sei es eine Herausforderung, vor allem auch für die ehrenamtlichen Kräfte, zusätzliches Personal in den Feuerwehren zur Verfügung zu stellen, um vor allem bei Großschadens- oder Unwetterlagen die Einsätze überhaupt noch koordiniert abarbeiten zu können.

„Erinnern möchten wir hier an diverse Sturmlagen der vergangenen Jahre. Um den Regelbetrieb in der Rettungsleitstelle in einer derartigen Situation überhaupt noch aufrecht erhalten zu können, wurden in den Städten und Gemeinden immer wieder auch auf Bitten des Landkreises kleinere Zentralen eingerichtet, um Bürgermeldungen zu Sturmschäden aufnehmen und diese dann an die Einsatzkräfte weitergeben zu können, da die Kapazitätsgrenzen der Leitstelle absolut ausgeschöpft waren“, so die Wehrleiter.

Wolle man nun von einem Neubau einer modernen Rettungsleitstelle im Landkreis abrücken, hätte das fatale Folgen für die Koordinierung von Einsätzen aller Art, was wiederum ein massives Problem für die Kräfte an der Basis darstellen würde.

„Gedankenspiele, wie der Zusammenschluss mehrerer Rettungsleitstellen zu einer großen Regionalleitstelle, in der jeder Bezug zu den lokalen Gegebenheiten fehlt und in der eine effektive Abarbeitung der Einsatzlagen riesige Fragezeichen aufwirft, erteilen wir damit eine entschiedene und nachdrückliche Absage“, machen die Führungskräfte unmissverständlich deutlich.

„Deshalb fordern wir Sie, liebe Kommunalpolitiker auf, sich mit aller Entschiedenheit für eine sichere Zukunft in unserem Landkreis Anhalt-Bitterfeld ohne Experimente auf diesem Gebiet einzusetzen. Der Bau einer Rettungsleitstelle mit modernen Systemen und einem Knowhow, das der schnellstmöglichen Rettung von Menschen, Tieren und dem Schutz von Sachwerten gerecht wird, muss oberste Priorität in der heutigen Zeit haben“, fordern die insgesamt 14 Unterzeichner des Schreibens.

Wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet, wird sich vor dem endgültigen Beschluss zum Haushalt 2021 heute noch einmal der Bau-, Wirtschafts- und Verkehrsausschuss des Landkreises vor Ort treffen, um sich zwischen den Varianten Neubau, Anbau und Sanierung zu entscheiden und zu sehen, ob die für den Neubau eingeplanten 1,6 Millionen Euro wirklich ausreichend sind.