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Schicksal Familie durchlebt dramatische Tage

Nach einer Schockdiagnose zu Jahresbeginn wird das nahende Weihnachtsfest für Dana, René und Marie Zabler ein ganz Besonderes.

Von Thomas Kirchner 20.12.2019, 00:01

Zerbst. Dass Dana, René und die kleine Marie Zabler heute wieder unbeschwert spazieren gehen, albern, lachen und sich auf das bevorstehende Weihnachtsfest freuen können, ist wahrlich ein kleines Wunder. Denn zu Beginn des Jahres hat die Familie dramatische Tage durchlebt. Ein Tumor an der Wirbelsäule gepaart mit einer seltenen Blutgerinnungsstörung bringen Dana Zabler in akute Lebensgefahr.

Alles beginnt relativ harmlos. An einem Sonntag im Februar bekommt Dana Rückenschmerzen. Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches. Das denkt sich auch die 41-jährige Mutter einer dreijährigen Tochter. Schließlich sind Rückenschmerzen so etwas wie eine Volkskrankheit. Schätzungen zufolge ist fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland regelmäßig davon betroffen. Nach Zahnschmerzen und Fieber sind Rückenprobleme der dritthäufigste Grund für Patienten, einen Arzt aufzusuchen.

Als die Schmerzen nicht besser werden, tut dies auch Dana. Sie geht am Montag zu ihrem Hausarzt. Sie bekommt eine Spritze und eine Überweisung zum Orthopäden. Die Spritze hilft nicht. Die Schmerzen werden immer schlimmer. In ihrer Not begibt sich Dana am Montagnachmittag in die Notaufnahme der Zerbster Helios Klinik. Sie bekommt neue Schmerzmittel und wird zunächst wieder nach Hause geschickt. „Die Schmerzen sind immer unerträglicher geworden. Keines der Mittel hat auch nur ansatzweise geholfen. Im Gegenteil, es wurde von Stunde zu Stunde schlimmer. Ich konnte weder sitzen noch liegen. Ich habe die folgende Nacht quasi im Stehen verbracht“, schildert die junge Frau.

Am Dienstagmorgen sucht Dana erneut die Notaufnahme auf. Sie wird stationär aufgenommen und geröntgt. Die Schmerzmittel, die sie nun bekommt, werden immer stärker. „Doch geholfen hat keines. Ich habe in der Nacht förmlich nach Schmerzmitteln gebettelt“, sagt Dana. Die Nacht zum Mittwoch sei einfach nur eine Qual gewesen. „Die Schmerzen waren unerträglich. Das kann sich niemand vorstellen. Ich wollte nur noch, dass das endlich aufhört“, beschreibt Dana ihr Leiden.

Es ist Mittwochmorgen und die junge Frau soll zur Magnetresonanztomographie (MRT). Doch es gibt ein Problem. Die Schmerzen sind so heftig, dass Dana nicht liegen kann. „Frau Zabler ist in einer Akutsituation, mit Schmerzen, die nicht mehr zu beherrschen waren, gekommen“, beschreibt Dr. Daniel Weigel, Oberarzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sportmedizin und Wirbelsäulenerkrankungen in der Zerbster Helios Klinik, die Situation.

Dann habe man der Patientin eine so hohe Dosis an Schmerzmitteln verabreicht, dass sie die Untersuchung im MRT liegend überstehen konnte. „Die Diagnose ist dann ebenso überraschend wie eindeutig“, so Weigel. Man habe einen seltenen Tumor an der Wirbelsäule im Bereich des Rückenmarks festgestellt. Der Tumor allein habe jedoch nicht die Dramatik des Falles ausgemacht. Der Tumor wachse in der Regel sehr langsam und mache auch nicht solche akuten Schmerzen.

„Allerdings: Frau Zabler leidet an einer seltenen Blutgerinnungsstörung. Dadurch ist der Tumor stark eingeblutet, hat sich in rasantem Tempo vergrößert und an Volumen zugenommen. Der Tumor musste also schnellstmöglich entfernt werden, sonst besteht die Gefahr einer Querschnittslähmung“, erläutert der Oberarzt.

Doch aus dieser Doppelkonstellation ergeben sich neue Probleme für das Ärzteteam. Sie beraten die weitere Vorgehensweise. „Eine sofortige Operation ist nicht möglich gewesen, weil durch die Gerinnungsstörung die Möglichkeit besteht, dass der Patient während der Operation verblutet“, erklärt Daniel Weigel. So hätten erst entsprechende Blutpräparate besorgt werden müssen.

Doch auch dies habe sich alles andere als einfach gestaltet. „So haben wir dann Johannes Rhein, Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin kontaktiert“, so der Oberarzt. „Ich habe zunächst Kontakt mit Frau Zablers Gerinnungsspezialisten aufgenommen, um in Erfahrung zu bringen, was an Präparaten benötigt wird“, sagt der Chefarzt. Da die Wirbelsäulenregion sehr gut durchblutet ist, sei eine nicht unerhebliche Menge des Präparats nötig gewesen.

„Unsere Zentralapotheke in Burg hat dann sämtliche Kliniken der Region abgefragt, wer welche Menge zur Verfügung stellen kann. Das ist gar nicht so einfach gewesen, da nur ganz wenige Häuser diese Präparate, gerade auch in dieser Menge vorrätig haben“, erklärt Rhein.

Das Zerbster Ärzteteam hat Glück. Die Uniklinik Magdeburg hat das benötigte Gerinnungspräparat auf Lager und schickt es sofort nach Burg. „Von dort ist die zusammengetragene Menge mit Blaulicht nach Zerbst gebracht worden“, erklärt der Chefarzt.

Inzwischen weiß auch Dana, wie es um sie steht und was die enormen Schmerzen verursacht. „Ich konnte nicht mehr klar denken, habe nicht gewusst, wo links und rechts ist. Eigentlich ist mir alles egal gewesen. Ich wollte einfach nur die Schmerzen loswerden“, versucht sie ihre Gedanken nach der Diagnose mit zitternder Stimme in Worte zu fassen.

Sie ruft ihren Mann René an, der sofort in die Klinik eilt. Der ist außer sich vor Sorge, als ihm seine Frau die Diagnose und die Situation schildert. „Du lässt mich aber nicht mit der Kleinen allein?“, fragt er seine Frau weinend. „Eben bist du noch von einem Bandscheibenvorfall ausgegangen. Dann wird ein Tumor diagnostiziert und von jetzt auf gleich ist alles anders“, versucht René mit Abstand seine Gedanken wiederzugeben.

Da schalte sich automatisch das Kopfkino ein, ob man wolle oder nicht. „Da laufen praktisch die verschiedensten Szenarien in deinem Kopf ab“, sagt der Berufskraftfahrer. Er habe sofort seine Dienste getauscht. „Ich musste mich ja um Marie und meine Frau kümmern“, sagt René. Er habe dann mit Chefarzt Rhein gesprochen, der ihm die Situation ausführlich erläutert habe.

Indes sind die dringend benötigten Präparate in der Zerbster Klinik eingetroffen. Gegen 15 Uhr – sieben Stunden nach der Diagnose – beginnt die etwas mehr als dreistündige Operation mit den entsprechenden Mikroinstrumenten unter dem Mikroskop. „Wir mussten natürlich äußerst vorsichtig vorgehen, um nicht noch mehr Schaden zu verursachen, als ohnehin schon da war“, erläutert Oberarzt Dirk Nestler, Leiter des Departments für Wirbelsäulenchirurgie.

Nestler: „So konnten wir schließlich den Tumor erfolgreich aus den Nervenfasern und dem Rückenmark heraus präparieren.“ Frau Zabler sei später sofort wieder aufgestanden und habe sich wie gewohnt bewegen können. „Es wurden auch keine Ausfälle festgestellt, sodass die Operation erfolgreich verlaufen ist“, erklärt Nestler.

Und das Wichtigste: „Die Schmerzen sind weg gewesen – bis auf einen gewissen Wundschmerz natürlich. Ich konnte endlich auch wieder liegen“, sagt Dana und kann wieder lachen.

Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass diese Art von Tumor am zentralen Nervensystem erneut auftreten könne. „Frau Zabler hat sich deshalb vorsorglich nach der OP einer Strahlentherapie unterzogen, um dieses Risiko zu minimieren“, erklärt Daniel Weigel. Ausgeschlossen sei die Rückkehr eines Tumors jedoch nicht.

Wenn Dana diese dramatischen Tage, jetzt, Monate später, Revue passieren lässt, ist sie einfach nur froh über den Ausgang. „Es war so krass! Im Prinzip war ich ja so zugepumpt mit Schmerzmitteln, dass ich gar nicht mehr klar denken konnte“, sagt Dana mit Abstand zu diesen quälenden Stunden. Sie habe unentwegt an ihren Mann und ihre Tochter denken müssen, was die Situation ja nicht einfacher gemacht habe.

„Wir sind einfach nur glücklich, dass ich an das richtige Ärzteteam geraten bin, die wussten was zu tun ist und nicht gezögert haben, die OP selbst vorzunehmen, statt mich zu verlegen, was ja am Ende noch mehr Zeit gekostet hätte“, sind sich Dana und ihr Mann René einig. „Für mich sind diese Männer meine Helden“, sagt sie mit Tränen in den Augen.

„Ich bin so froh, dass mein Chef Mario Kucera und meine Kollegen so viel Verständnis für meine Situation aufgebracht haben, ich frei bekommen habe und meine Dienste tauschen konnte“, ergänzt René. Es sei keine leichte Zeit gewesen. „Schon das Pendeln, Arbeit, Tochter und Krankenhaus hat Nerven gekostet. Zum Glück hatte ich große Unterstützung von meiner Schwiegermutter. Hinzu kommt die ständige Angst und die Sorge, ob auch alles ein gutes Ende nehmen wird“, sagt René.

„Wir sind sowohl dem Ärzte- als auch dem OP- und Pflegeteam unendlich dankbar. Sie haben sich gekümmert und uns immer wieder Mut gemacht. Nach der Hochzeit und der Geburt unserer Tochter ist der erfolgreiche Ausgang der Operation ein weiterer großer Glücksmoment gewesen", sind sich die Beiden einig und können nun auch wieder lächeln.