1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Ruhe und Zeit, um Neues auszuprobieren

Schmuckdesigner Ruhe und Zeit, um Neues auszuprobieren

Marion Rösler in Dobritz musste vielseitig sein, um als Schmuckdesignerin in der Krise zurechtzukommen.

Von Petra Wiese 08.07.2020, 08:09

Dobritz l „Ich mache alles, was zur Werbung gehört“, umschreibt sie es. Ihr Geschäft hat sie in den vergangenen zehn Jahren nach und nach weiter entwickelt. Es war der 1. Juli 2010, als sie ihr Gewerbe angemeldet hat. Das war auch der Tag, an dem sie anfing, etwas zu machen, erinnert sie sich. Sie war 46, als sie den Schritt in die Selbständigkeit wagte.

Ursprünglich wollte die aus Kerchau stammende junge Frau Goldschmied werden. Die Umstände ließen es jedoch nicht zu, dass sie die Lehre antrat. Sie wurde Graveurin, lernte den Beruf in den heutigen Gravierwerkstätten Krüger und Schneider in Zerbst. 16 Jahre war sie dort, bis zur Wende. Der Drang etwas Neues zu machen, setzte sich durch. Von heute auf morgen. In einer Zerbster Werbefirma verbrachte sie die nächsten 17 Jahre. Dann zog Marion Rösler die Reißleine. „Ich wollte nicht mehr für andere, sondern nur noch für mich arbeiten“, erzählt sie. Genug gelernt und reichlich Erfahrungen hatte sie bei ihren Tätigkeiten in all den Jahren gesammelt. In der Schmuckherstellung und mit Glasgravuren sah sie ihre Zukunft.

Diesen Neustart hat die 56-Jährige bis heute nicht bereut. Für den Anfang hatte sie sich einen einfachen Brenner zugelegt und Glasstäbe aus italienischem Murano-Glas bestellt. Bei den ersten Versuchen entstanden Perlen für Kettenanhänger und Armbänder. Die mussten dann an den Mann oder die Frau gebracht werden. Zum Markttag in Belzig fuhr die Dobritzerin damit. „Einmal und nie wieder“ hatte sie sich danach geschworen. Da gehörst du nicht hin, fand sie. Da hat Kunsthandwerk nichts verloren.

Marion Rösler war schnell klar, dass sie alles, was sie konnte, alle Fähigkeiten die sie hatte, auch nutzen musste. Einiges Potenzial hat die Werbebranche zu bieten. Ein eigener Plotter war die nächste Anschaffung. Laserdrucker und eine Maschine für Gravuren für Grabplatten bis zu einer Größe von 600 mal 500 Millimeter gehören inzwischen zur Ausstattung. Eigentlich war die heutige Werkstatt die Waschküche. „Der erste Schmuck lag noch auf dem Waschkessel, so Marion Rösler. Nach und nach wurde die Werkstatt mehr zu ihrer mit einigen Spezialmaschinen, die Michael Rösler zur Arbeitserleichterung für seine Frau gebaut hat. Die sehen zwar ungewöhnlich aus, aber sie funktionieren.

In der Werkstatt ist die Dobritzerin kreativ tätig. Der Schwerpunkt hat sich allerdings über die Jahre verlagert. Der Schmuck ist immer mehr in den Hintergrund gerückt. Gravuren wie Typenschilder, Gravuren auf Granitstein, Textilbeschriftung, Werbeschilder- und planen sind die Haupteinnahmequellen. Es folgen Pokale und Medaillen, Schmuckgravuren, Drucksachen wie Flyer, Einladungs- und Visitenkarten. Die Schmucksachen aus Leder, Murano-Glas und Harz laufen quasi nebenbei.

Marion Rösler arbeitet für Autohäuser, Unternehmer, Veranstalter, Vereine und mehr. Sie könne gezielt auf die Kundenwünsche eingehen. Ganz individuelle Sachen fertigt sie. Damit will sie sich von anderen abheben. „Ich bin keine Werbeagentur, aber auch keine Gravierwerkstatt“, sagt sie. Ein Zwischending. Statt Tassen zu bedrucken, werden sie graviert. Löffel bekommen ihre Gravur an der Stelle, wo die Suppe drauf kommt. Zufriedene Kunden empfehlen sie per Mundpropaganda weiter. Mehr braucht es nicht.

Corona traf auch die Dobritzerin so kurz vor dem zehnjährigen Jubiläum ziemlich hart. „Von einem Tag auf den anderen ging nichts mehr“, berichtet sie. Plexiglasschutzscheiben für Apotheken sollten für eine Weile ihr letzter Auftrag sein. Die Vereine blieben aus, ebenso die Leute, die Geschenke anfertigen lassen wollten. Werbung war nicht mehr nötig, da alle Veranstaltungen abgesagt waren. Stillstand. Man muss sich beschäftigen, entschied Marion Rösler für sich. Doch um schon was für Weihnachten zu machen, war sie nicht in Stimmung.

Spontan entschied sie für sich, mal was mit Leder auszuprobieren. Etwas Neues zu versuchen, braucht schließlich Zeit und Ruhe. Beides war plötzlich vorhanden. So etwas geht nicht zwischen Tür und Angel, so Marion Rösler. Sie besorgte sich Leder und entsprechendes Punzwerkzeug – das sind kleine Stempel, mit denen das Leder gepunzt wird. Und das funktionierte gut. Schirme für Basecaps kann sie nun fertigen, Armbänder, aufwendigen Lederschmuck auch in Kombinationen mit anderen Materialien. Mit dem Resultat war die Dobritzerin zufrieden. Doch davon lässt es sich nicht leben. Zum Glück hatte die Schmuckdesignerin für eine kleine Reserve für schlechte Zeiten gesorgt. Sie ließ sich nur eine geringe Corona-Soforthilfe auszahlen.

Nun ist Marion Rösler froh, dass es wieder weiter geht. Mitte Juni lief der Laden wieder an. Da konnte sie sich zum Beispiel freuen, dass Heinrich’s aus Walternienburg gleich wieder mit einem Anliegen auf der Matte stand. Es mache besonders viel Spaß, mit dem Auftraggeber zu arbeiten und seine Wünsche umzusetzen, schwärmte sie. Bis zur Normalität wird es noch eine Weile dauern. „Es muss weiter gehen, es wird weiter gehen und ich gebe nicht auf“, ist Marion Rösler entschlossen.

Es ist die Kombination aus Handarbeit und computergesteuerter maschineller Arbeit, die sie besonders an ihrem Job schätzt. Sie könne gar nicht sagen, was sie lieber macht. Nur eines weiß sie. Handarbeit wird heute viel zu wenig geschätzt. Die Leute wissen gar nicht, was da alles drin steckt, wie viel Aufwand in einem Produkt, was sich natürlich auch im Preis widerspiegelt. So findet hochwertiges Kunsthandwerk immer weniger Abnehmer. „Kunsthandwerk geht den Bach runter“, glaubt Marion Rösler. Gerade auch im ländlichen Raum und in einkommensschwachen Gebieten sind solche Unikate, wie sie auch die Schmuckdesignerin herstellt, kaum gefragt.

Schmuck fertigt Marion Rösler deshalb nur noch für Weihnachtsmärkte an. Wie den in der Dessauer Marienkirche: Da kommen Leute, die speziell Kunsthandwerk suchen, freut sich die Dobritzerin jetzt schon auf die diesjährige Veranstaltung. Das ist richtig schön, findet sie, kein Wald- und Wiesenmarkt, nur Kunsthandwerker, mit der gleichen Leidenschaft und Intuition. Zehnjähriges feiert die Schmuckdesignerin da, gleich in ihrem ersten Jahr 2010 war sie dabei.

Die Wahlkampfplakate von Kees de Vries stammten aus der Dobritzer Designwerkstatt. Der Zerbster Bürgermeister bestellte schon einen Glaspokal mit einer Katharina-Gravur bei Marion Rösler, der Landrat fand bei seinem Werkstattbesuch Gefallen an einem Armreifen. Wer mehr über das Sortiment wissen möchte, kann sich auf der Homepage einiges anschauen. Wer sich beraten lassen will, kann einen Termin machen und bei Marion Rösler persönlich vorbei schauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

www.roeslerdesign.de