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Schwalben 69 Nester unter der Dachrinne

Immer seltener sind Rauch- und Mehlschwalben anzutreffen. Bei Familie Strauß in Walternienburg haben sie Unterschlupf gefunden.

Von Petra Wiese 13.06.2018, 08:00

Walternienburg l Dem Volksmund nach bringen Schwalben jenen Höfen Segen, unter deren Dächern sie Nester bauen. Allerdings werden Rauch- und Mehlschwalben immer weniger. Die Vögel benötigen zum Nestbau feuchten Lehm, aber offene Lehmpfützen sind selten geworden. Der Grund: Wege sind asphaltiert, Parkplätze betoniert und Flussläufe befestigt. Schwalben bauen ihre Nester fast immer in der Nähe des Menschen, brüten in Viehställen oder an den Außenwänden der Hofgebäude. Viele Schwalben haben ihre Nistmöglichkeit verloren, weil Hofgebäude und Ställe modernisiert wurden. Sie gelangen nicht mehr ins Innere der Gebäude und an glatten Wänden können sie ihre Nester nicht befestigen.

Außerdem fressen Schwalben Insekten und finden in der Nähe von intensiv bewirtschafteten Flächen oft zu wenig Nahrung. Auch die Verbauung der Landschaft verringert die Anzahl an Insekten.

In Walternienburg scheint die Welt für Schwalben noch in Ordnung zu sein. Hier haben sie bei Peter Strauß auf dem Hof passende Bedingungen gefunden. Mehl- und Rauchschwalben fühlen sich hier zu Hause. Wildes Geflatter ist zu hören und zu sehen. Manchmal sind es so viele Vögel, dass man unweigerlich an den alten Film von Alfred Hitchcock denken muss.

Unter der Dachrinne am Nebengebäude reiht sich ein Nest an das andere. Mehlschwalben brüten in Kolonien. Sie bauen ihre Nester dicht an dicht. 69 Stück hat Peter Strauß gezählt. Noch sechs, sieben weitere von Rauchschwalben und Mauerseglern sind unter der Überdachung und im Durchgang zu finden. Rechnet man mit mindestens drei, vier Jungen pro Nest lässt sich erahnen, was auf dem Hof los ist. Spätestens um 5 Uhr morgens ist es vorbei mit der Ruhe.

Ende April kamen die Vögel, Ende August ziehen sie in der Regel von dannen. „Seit etwa zehn Jahren kommen die Schwalben zu uns“, erzählte Peter Strauß. Am Anfang waren es nicht mal die Hälfte. Aber es wurden von Jahr zu Jahr mehr.

Das muntere Gezwitscher und die interessanten Beobachtungen sind das eine. Das andere ist der Dreck, den die Vögel machen. „Das ist nicht so schön“, meinte Peter Strauß. Fußboden, Wände und Türen sind voller Vogeldreck, und alles andere auch, was in der Nähe steht. Immerzu muss geschrubbt und gekärchert werden. Das ist ein wöchentlicher Aufwand. Kaum ist alles sauber, fällt schon wieder etwas vom Himmel.

Damit hat sich die Familie Strauß arrangiert. „Wir wollen die Schwalben nicht vertreiben“, sind sich Peter Strauß und seine Frau einig, „wir freuen uns auch über die Vögel.“

Doch es gibt genug Menschen, die sich nicht freuen, wenn Schwalben ihre Nester bei ihnen bauen. Sie werden abgemacht und zerstört. Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands wird die Mehlschwalbe bereits als gefährdete Art geführt.

Der Nabu Sachsen-Anhalt versucht mit Aktionen dem Trend entgegen zu wirken. Er ruft zum Beispiel in jedem Jahr Schwalbenfreunde auf, bei der Aktion „Schwalbenfreundliches Haus“ mitzumachen. Wer mit den Schwalben in enger Nachbarschaft lebt oder deren Ansiedlung fördert, kann sich da um die Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ bewerben. Die Familie Strauß in Walternienburg hätte diese Plakette auf jeden Fall verdient.

Der Nabu möchte mit der Auszeichnung von Gebäuden, an oder in denen Schwalben nisten, um Toleranz und Verständnis, aber auch um Akzeptanz für die Vögel werben und auf schwindende Brutmöglichkeiten hinweisen.