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Soforthilfen Schullandheimen droht das Aus

Ulrich Weimeister, Leiter des Jugendbauernhofs in Deetz, fordert die Landesregierung auf, die Soforthilfen schneller ankommen zu lassen.

Von Thomas Kirchner 17.06.2020, 01:01

Deetz l Ein Hilfeschrei der Schullandheime geht derzeit durch die sozialen Medien. 260 gibt es in ganz Deutschland, sieben in Sachsen-Anhalt. Eines davon ist der Europa-Jugendbauernhof in Deetz. Objektleiter Ulrich Weimeister ist zweiter Vorsitzender des Verbandes der Schullandheime in Sachsen-Anhalt. Weimeister hat sich nun mit einem offenen Brandbrief an die Landesregierung, an Politiker und die Presse gewandt.

„Die sieben Schullandheime sind in finanzieller Not – und das unverschuldet. „Unsere Auftragsbücher waren voll“, schreibt Weimeister. Doch durch die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Stornierungen und Absagen von Klassenfahrten seien die Einnahmen seit Wochen gleich Null. „Um zu überleben, sind wir dringend auf Soforthilfen angewiesen. Und wenn ich sofort sage, dann meine ich sofort“, so Weimeisters Apell. Weimeister: „Die ausbleibenden Einnahmen sind existenzbedrohend. Kommt die Unterstützung nicht noch in diesen Monaten, könnten bald die Lichter ausgehen.“

Der Schwerpunkt der Schullandheime liegt bei Klassenreisen und Jugendbildung. Sie sind im Übrigen als außerschulische Lernorte Ergänzung der Kinder- und Jugendarbeit, gerade auch in den Bereichen Tierwelt, Natur und Umwelt. „Wir leisten lebens- und naturnahe Bildungsarbeit – zum Anfassen, Begreifen, Lernen und der Freude am Leben“, beschreibt Weimeister die zentralen Aufgaben der Schullandheime.

Der Deetzer kämpft nicht erst seit Corona um eine zuverlässige Finanzierung der Schullandheime. „So könnte beispielsweise ein kleiner Pool an Stammpersonal dauerhaft vom Bildungsministerium finanziert werden“, schlägt Ulrich Weimeister vor. Jetzt mit der Corona-Pandemie ist die Not existenzbedrohend geworden.

„Die bereits geflossene Soforthilfe war gut“, dankt der Verbandsvorsitzende für die Unterstützung, „aber die Mittel sind längst aufgebraucht, und wir müssen erneut um Geld bitten. Wir tun das nicht nur für uns, sondern auch und gerade für unsere Kinder.“ Man wisse, dass es schon Bestrebungen in Bund und Land gebe, den Schullandheimen zu helfen. Die Schullandheim-Betreiber befürchteten aber, dass das Geld für den Bedarf der Einrichtungen nicht reichen wird und das Geld zu spät kommt – wenn es denn kommt. Weimeister: „Wir sind jetzt, in diesem Augenblick, in akuter Gefahr in die Insolvenz zu geraten.“ Das Geld müsse schnell fließen.

Doch nach schnell sieht es im Moment nicht aus. „Inzwischen sind die Schullandheime aufgefordert, den für die Monate März bis Mai zu beziffernden pandemiebedingten Einnahmeausfall aus der Bettenbelegung durch Klassenfahrten rechnerisch darzustellen“, schreibt Stefan Thurmann, Pressesprecher im Magdeburger Bildungsministerium auf Nachfrage. Diese Darstellung werde dann durch das Bildungs- und das Finanzministerium geprüft. „Im Anschluss wird es dann zu einer Beurteilung beziehungsweise Bewilligung entsprechender Gelder kommen“, so Thurmann. Seitens des Bildungsministeriums seien 140 000 Euro aus dem Nachtragshaushalt für die Schullandheime des Landes zur Abfederung von Einnahmeausfällen angemeldet.

„Staatssekretärin Eva Feußner (CDU) hat in einem Schreiben vom 6. April den Schullandheimen gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass ihr die existenzbedrohende Lage, auch bedingt durch den Ausfall der Einnahmen aus den Klassenfahrten, durchaus bewusst ist“, betont Thurmann. Die Situation der Schullandheime sei von Beginn an mit hoher Sensibilität begleitet worden. „Es besteht ein hohes Interesse seitens der Landesregierung, den Schullandheimen einen Weiterbetrieb zu ermöglichen“, verspricht der Ministeriumssprecher.

Ulrich Weimeister freut sich natürlich über die angekündigte Finanzhilfe, sagt aber: „Das ist der klassische und typische Fall. Jeder weiß, dass Klassenfahrten untersagt wurden, aber wir müssen jetzt noch nachweisen, dass sie nicht stattgefunden haben und unsere Umsatzausfälle auflisten und belegen.“ Er und seine Kollegen in den anderen Einrichtungen könnten nur hoffen, dass Beurteilung und Prüfung der Unterlagen durch die beiden Ministerien nicht Wochen dauern wird. „Es ist nicht fünf vor, sondern zehn nach zwölf“, richtet er nochmals einen Appell an die Landesregierung.

Im Übrigen habe er den Eindruck, dass sich niemand so wirklich für die Schullandheime interessiert. „Bei Hilfen für die Wirtschaft ist man deutlich schneller unterwegs – Geld scheint keine Rolle zu spielen. Es ist eine echte Katastrophe und macht keinen Spaß, seit Monaten nur noch täglich den Mangel zu verwalten. Es ist frustrierend und beängstigend zugleich“, sagt Weimeister auch im Namen seiner Kollegen.

Die Fixkosten müssten weiter gezahlt werden, „die Tiere brauchen Futter. Es ist ja nicht einmal abzusehen, wann Klassenfahrten wieder erlaubt werden und wir wieder starten können“, blicken er und seine Betreiberkollegen in eine ungewisse Zukunft.

Im Saarland, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wurde den Häusern schon geholfen, was ein Beweis sei, dass es geht. So wendet sich der Deetzer an die gewählten Vertreter des Volkes mit der Bitte um Hilfe. „Wir möchten ins Gespräch kommen und uns gern auch weiter in die Bildung einbringen“, betont Weimeister.