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Tourismus „Warum in die Ferne schweifen?“

Die Zerbster Tourist-Information blickt auf Monate voller Problemezurück. Zeitweise musste der Anlaufpunkt schließen.

Von Thomas Kirchner 01.09.2020, 01:01

Zerbst l Die Mitarbeiter der Zerbster Tourist-Info steckten zu Beginn des Jahres bis über beide Ohren in Arbeit – die Gewerbefachausstellung (Gfa) Anfang Mai war zu organisieren, Stadtführungen, Radeltage und der tägliche Ticketverkauf für die zahlreichen Veranstaltungen und Events in der Stadt. Doch dann kam das Virus und nahm alle in den Würgegriff.

Immer mehr Einschränkungen wurden verfügt, bis hin zum Shut- beziehungsweise Lockdown Anfang März. Die Gastronomie wurde auf Null gefahren, Schulen, Kitas und Geschäfte mussten geschlossen bleiben – auch die Tourist-Info. Gut zwei Monate blieb der Anlaufpunkt für Zerbster und Touristen auf dem Markt geschlossen.

„Als wir dann Anfang Mai wieder öffnen durften, war alles anders“, sagt Viola Tiepelmann, Chefin der Zerbster Tourist-Info. Es sei natürlich sehr mühselig gewesen. „Wir haben anfangs immer nur einen Kunden reingelassen. Desinfektion, die Mund-Nasen-Masken und den Abstand einhalten. Das alles hat sich aber schnell eingespielt“, schildert Viola Tiepelmann.

Und da ja so gut wie alle Veranstaltungen abgesagt waren, sei es in den ersten Wochen nach Öffnung vorrangig um die Rückgabe von bereits gekauften Tickets gegangen. „Die Leute wollten natürlich wissen, ob sie die Karten zurückgeben können, ihr Geld wiederbekommen oder Gutscheine“, so Tiepelmann.

Das habe sich aber schnell gedreht. „Schneller als ei- gentlich erwartet, haben sich die Anfragen wieder in Richtung Tourismus entwickelt. In der zweiten Hälfte Juni und im Juli hatten wir ebenso viele Anfragen und Besucher wie im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres, obwohl wir keine Stadtfeste hatten, obwohl wir keine Höhepunkte hatten“, erläutert Viola Tiepelmann.

Es seien viele Individualreisende da gewesen und noch da, es seien viele Rad-Touristen nach Zerbst gekommen und noch unterwegs, die sich die Stadt anschauen und auch die Gegend erkunden. „Diese Individualtouristen kommen aus den näher gelegenen Städten, die Tagesausflüge machen. Es gibt aber auch viele Leute, die sich hier im ländlichen Raum einquartiert haben und die Stadt erkunden“, sagt die Tourist-Info-Chefin.

Auch viele Durchreisende würden für mehrere Stunden in Zerbst Halt machen, sich die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten ansehen und sich dann wieder in Richtung Elbe und Elberadweg zurückorientieren. „Der Elberadweg ist durchaus ein Bringer. War er schon immer. Doch es orientieren sich momentan sehr viele Leute auch links und rechts des Radweges, weil derzeit viel mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind, die im Übrigen auch touristisch und kulturell interessiert sind“, erklärt Tiepelmann. Davon würden auch die Quartiergeber im ländlichen Raum rings um Zerbst profitieren.

„Wir hatten in den letzten Wochen sehr viel Kontakt zu den Pensionsinhabern. Sie alle sind sehr gut gebucht, ja teilweise ausgebucht“, sagt Viola Tiepelmann. Das betreffe unter anderem Walternienburg, Badetz oder auch Steutz und Steckby. „Aber auch die Quartiergeber im Fläming sind nicht unzufrieden“, weiß Tiepelmann aus Gesprächen.

Von Vorteil sei, dass die gesamte Region den Ruf genieße, noch nicht zu sehr überlaufen zu sein, viel Ruhe und sehr viel Naturräume biete. „Auch wenn ich in die andere Richtung nach Trüben oder Garitz blicke, beklagt sich niemand über fehlende Schlafgäste“, so die Chefin der Tourist-Info.

Aber auch die Touristen oder Radler seien sehr zufrieden und vor allem interessiert. „Sie holen sich Tipps zu Übernachtungsmöglichkeiten, Ausflugszielen, Sehenswürdigkeiten oder Entfernungen zu bestimmten Zielen in und um Zerbst“, sagt Tiepelmann. Wobei die Quartiere in den allermeisten Fällen bereits vorab gebucht worden seien.

Tiepelmann: „Waren es im vergangenen Jahr meist Menschen, die mit den Zerbster Festivitäten zu hatten, wie Heimat- oder Dorffeste und sich beispielsweise nach Übernachtungsmöglichkeiten erkundigt haben, sind es in diesem Jahr fast ausschließlich Touristen, die sich Informationen und Auskünfte einholen.“

Hier sieht die Chefin der Tourist-Information großes Potenzial auch für die kommenden Jahre. Abgeleitet von Goethes Vierzeiler-Erinnerung, „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“, würden bedingt durch die Corona-Pandemie wieder viel mehr Menschen im Lande bleiben und im Urlaub das eigene Land entdecken.

„Ich glaube nicht, dass sich das Reiseverhalten der Menschen – zumindest in den nächsten zwei Jahren – ändern wird. Viele werden weiterhin auf Fernreisen verzichten und ihren Urlaub im eigenen Land oder der eigenen Region verbringen“, meint Tiepelmann. Dies biete natürlich große Chancen für Zerbst und für die gesamte Region Elbe-Fläming.

„Aber auch die Veranstaltungen und die öffentlichen Stadtführungen laufen wieder an. Die erste Führung im August war von der Besucherzahl noch recht verhalten. Hier war es allerdings auch sehr heiß“, sagt Tiepelmann.

 

Die nächsten beiden öffentlichen Stadtführungen finden am 12. September und am 10. Oktober statt. Treffpunkt ist jeweils um 14 Uhr die Tourist-Info auf dem Markt. Anmeldungen sind unter 03923/23 51 möglich.