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Tradition Ein Liedchen für Eier und Speck

Warum junge Nedlitzer die Tradition des Eiersingens zu Pfingsten in ihrem Dorf hochhalten.

Von Petra Wiese 11.06.2019, 01:01

Nedlitz l Der Pfingstochse wird geschmückt, Pfingstkirmes oder zünftige Pfingstgelage werden veranstaltet. Das Eiersingen ist seit Generationen Tradition in Nedlitz. Jedes Jahr am Abend vor dem Pfingstsonntag ziehen die jungen Männer des Dorfes von Haus zu Haus, um Eier und andere Zutaten für Eiback zu sammeln. Das war früher so und ist bis heute so geblieben für die Junggesellen.

Auf diese Art und Weise ging es einst auf Brautschau. Die jungen Herren stellten sich in den Häusern vor und wurden von den heiratsfähigen Damen des Ortes begutachtet. Mit guter Stimme und schönem Gesang hinterließ man Eindruck bei den Mädels. Die Brautschau ist heute beim Eiersingen in den Hintergrund gerückt. Die jungen Männer – zwischen Jugendweihe und 30. Geburtstag – machen den Spaß trotzdem mit, um die Tradition am Leben zu erhalten.

Diesmal zählt die Jungmännerschar gerade elf Köpfe. Traditionsgemäß versammelte man sich zum Auftakt am Großen Stein. Dort werden die strengen Regeln beim Eiersingen noch einmal bekannt gegeben. Ordentliches Aussehen und Benehmen werden angeordnet. Ansprache und Lied, womit die Eiersinger ihr Anliegen vortragen, werden geprobt. Die Texte sind mündliche Überlieferungen der Vorfahren. Die Neuen lernen von den „alten Hasen“. Drei Erst-semester gibt es in diesem Jahr.

Derweil zählt Niclas Puls schon zu den erfahrenen Eiersingern. Er ist seit 2013 mit dabei. „Mein Opa hat das schon gemacht“, erzählt der 22-Jährige, der die Tradition in seinem Dorf am Leben halten will. „Man fühlt sich verpflichtet“, sagt der junge Mann. Wenn erst einmal etwas eingeschlafen ist, sei es schwierig, wieder anzufangen, weiß er. So verbringt er Pfingsten in seinem Heimatdorf, obwohl er sonst in Halle wohnt und studiert. Ähnliche Motive haben auch seine Mitstreiter. Nicht zuletzt kommt der Spaß dabei nicht zu kurz.

In zwei Gruppen ziehen die Nedlitzer Junggesellen am Sonnabendabend durch das Dorf. Vor jedem Haus wird zum Singen Position bezogen, ganz gleich, ob jemand öffnet oder nicht. Der Wäschekorb füllt sich mit Eiern, Wurst, Schinken, Speck und Geldspenden. Zum Dank für die Gaben gibt es für die Leute einen guten Schluck.

967 Eier werden am Ende gesammelt. Eine Zahl, die jedes Jahr in die Chronik der Eiersinger eingetragen wird. Noch in der Nacht wird Eiback gekocht und bis in den Morgen gemeinsam gefeiert. Am Nachmittag sind die jungen Männer schon wieder fit für’s Pfingstgelage.