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Urteil Freispruch für nackten Mann im Flur

Ein 22-jähriger Syrer soll sich mehrfach nackt einer Nachbarin gezeigt haben. Das Amtsgericht Zerbst spricht den Mann letztlich frei.

Von Bernd Kaufholz 19.05.2017, 05:00

Zerbst/Coswig l Strafrichter Thomas Krille hat am Mittwoch einen 22 Jahre alten Asylbewerber vom Vorwurf, sich vor einer Nachbarin mehrfach nackt gezeigt zu haben, freigesprochen. Ein stichhaltiger Tatnachweis konnte aus Sicht des Juristen nicht erbracht werden.

Amtsanwältin Katrin Hendrich von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hatte den Syrer angeklagt, zwischen dem 1. April und dem 21 Juni 2016 „exhibitionistische Handlungen“ begangen zu haben. Im April habe er „nur mit Sandaletten bekleidet“ bei seiner Nachbarin gegenüber geklingelt. Er habe sich so „sexuell erregen“ wollen. Frau W. habe durch den Türspion geschaut, sei verängstigt und angeekelt gewesen. Nach etwa einer halben Stunde habe Shadi A. damit aufgehört, die Nachbarin durch Klopfen und Klingeln zu belästigen.

Der zweite Fall habe sich am 20. Juni 2016 zugetragen. Gegen 12.45 Uhr habe dieselbe 46-Jährige in ihre Wohnung gewollt. Ihr Nachbar mit dem nicht abgeschlossenen Informatikstudium habe sich ihr wiederum nackt gezeigt, „mit erigiertem Glied“. Er habe gefragt: „Wie geht es, Frau Nachbarin?“ Die Staatsanwaltschaft unterstellte auch in diesem Fall „sexuelle Motive“.

Einen Tag später gegen 12 Uhr kam Ingrid W. vom Einkaufen nach Hause. Nachdem sie ihr Auto geparkt hatte, sah sie bereits den 22-Jährigen am Küchenfenster stehen. Im Hausflur kam ihr der junge Mann, lediglich mit einem T-Shirt bekleidet, entgegen und versperrte ihr den Weg, so dass sie sich eng an ihm vorbeidrängen musste. Er soll sie dabei in gebrochenem Deutsch aufgefordert haben, mit ihm zu schlafen.

Der Angeklagte sagte mit einem Lächeln im Gesicht, dass die Vorwürfe zwei und drei „falsch“ seien. Er sei zu dieser Zeit ständig zwischen Hannover, wo er sich um einen Studienplatz bemüht habe, sowie seinem Cousin in Halle und seinem Onkel in Berlin gependelt. In Coswig sei er zwischen dem 7. April und 17. Mai gar nicht gewesen.

Zu dem ersten Vorkommnis – das Strafverteidiger Uwe Mertens auf den 19. Juni datierte – erzählte Shadi A. eine filmreife Geschichte. Er habe unter der Dusche gestanden. Da sei ihm eingefallen, dass er noch nicht in den Briefkasten geschaut hat. „Ich habe wichtige Post von der Ausländerbehörde erwartet.“ Nackt, wie er war, sei er die paar Stufen bis zum Hausbriefkasten hinunter gelaufen. Doch im selben Augenblick habe Durchzug die Wohnungstür zugeschlagen. „Ich hatte weder Schlüssel noch Handy dabei“, so der Syrer. Er habe sich nur zu helfen gewusst, indem er bei seiner Nachbarin klingelte: „Bitte helfen Sie mir!“

Er habe ihr durch die geschlossene Tür seine Situation erklärt, und nachdem sie zuerst abgelehnt habe, ihm mit einem Kleidungsstück auszuhelfen, habe Frau W. dann die Tür einen Spalt geöffnet und ein rotes Tuch an den Knauf gehängt. Er habe sich bedankt. „Das Badetuch habe ich mir umgebunden und bin durch mein offenes Küchenfenster im Erdgeschoss in meine Wohnung geklettert.“

Doch diese Version bestätigte die Nachbarin im Zeugenstand nicht: „Ich habe die Tür nicht aufgemacht. Und ihm schon gar kein Handtuch hinaus gereicht. Wenn ein nackter Mann vor meiner Tür steht, mache ich doch nicht auf.“

Einig waren sich Angeklagter und Zeugin darüber, dass es zuvor keinerlei Probleme zwischen ihnen gegeben habe. Man habe sich immer freundlich gegrüßt.

Letztlich musste auch die Amtsanwältin einräumen, dass ein klarer Schuldbeweis durch die Beweisaufnahme nicht erbracht werden konnte. Sie plädierte auf Freispruch. Dem schloss sich der Strafverteidiger an.

Richter Krille urteilte: „Im Zweifel für den Angeklagten.“ Es gebe noch keine Rechtscomputer, bei denen man oben die Fakten hinein stecke und unten das Urteil heraus komme. „Ich muss mich an Aussagen halten und da stehen sich zwei konträr gegenüber. Wer hat Recht? Wer sagt die Wahrheit? Ich weiß einfach nicht, was tatsächlich passiert ist.“ Und wenn das Gericht diese Zwickmühle sehe, bleibe nur: „In dubio pro reo.“