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Verfolgungsjagd Mit 130 Sachen durch die Dörfer

In Teilen der Einheitsgemeinde Zerbst hat sich ein wahrer Krimi abgespielt.

Von Thomas Kirchner 06.02.2020, 00:01

Zerbst l Ausgangspunkt war das Örtchen Jeber-Bergfrieden, wo ein Hausbesitzer sich auf die Lauer nach Dieben gelegt hatte. Nach einer rasanten Verfolgungsjagd endete die Nacht nahe Buhlendorf. Eine genauso unglaubliche wie spektakuläre Geschichte schickte Rolf Weiß aus Magdeburgerforth der Volksstimme. Er ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in Jeber-Bergfrieden, das zur Stadt Coswig/Anhalt gehört. Was er in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag erlebt hat, liest sich wie ein Krimi.

Am Sonnabend bemerkt Rolf Weiß, dass in seinem Mehrfamilienhaus in Jeber-Bergfrieden eingebrochen wurde. Unbekannte haben die gesamte Heizungsanlage demontiert und mitgehen lassen – Schaden: etwa 10.000 Euro. Und dies, obwohl das Haus bewohnt ist. Der einzige Mieter, ein 72 Jahre alter Mann, hatte die Einbruchsgeräusche zwar gehört, hat aber kein Telefon und konnte nichts tun.

Der Senior: „Das geht jetzt schon seit vier Tagen so. Jede Nacht kommen sie und bauen die Heizungsanlage aus. Heute Nacht waren sie sogar in meiner Wohnung. Ich traf im Wohnzimmer auf die Einbrecher und sie nahmen mir meinen Wohnungsschlüssel ab.“

Weiß ruft die Polizei. Sie erfasst den Schaden, nimmt Daten auf – und fährt wieder weg. Das ist nicht genug, denkt sich Rolf Weiß. Er zeigt Zivilcourage und legt sich in der Folgenacht (zu Sonntag) selbst auf die Lauer. Erst einmal tut sich nichts. Erst gegen 1.30 Uhr fährt ein alter Golf vorbei. Eigentlich nix besonderes, unverdächtig. Trotzdem hat der Hauseigentümer ein sonderbares Gefühl. Er springt ins Auto und folgt dem Golf.

„Über den Notruf 110 habe ich der Polizei vorsorglich das Kennzeichen durchgegeben“, schildert Rolf Weiß. Doch die Polizei habe versucht, ihn abzuwimmeln. „Erst auf mein Drängen lässt sich der Polizeibeamte darauf ein, die Nummer abzugleichen und wundert sich – diese Autonummer gibt es nicht, eine gefälschte Autonummer also“, so der Verfolger.

Nun wird es interessant: Der Golf-Fahrer bemerkt inzwischen, dass er verfolgt wird und gibt Gas. Rolf Weiß hinterher. Der Polizeibeamte ruft parallel zum noch immer fortlaufendem Notrufgespräch die Zerbster Polizei hinzu, denn das flüchtende Fahrzeug bewegt sich inzwischen von Hundeluft in Richtung Zerbst. Der Zerbster Streifenwagen fährt dem Flüchtenden entgegen. „Jedoch – als hätte es der Flüchtende geahnt – ändert er seinen Kurs, fährt über Garitz, Dobritz in Richtung Deetz – mit bis zu 140 km/h durch die Orte“, so Weiß.

In Deetz wird es dann spannend. Biegt der Flüchtende in Richtung Reuden, Wiesenburg ab, würde er das Bundesland Brandenburg erreichen, da müsse man dann die Verfolgung abbrechen und die Belziger Wache alarmieren, erklärt der Beamte dem Verfolger am Telefon. Durch eine List gelingt es Rolf Weiß jedoch, den Golf in der Einheitsgemeinde Zerbst zu halten. Mit hoher Geschwindigkeit geht es weiter in Richtung Lindau, teilweise über Feldwege und durch den Wald. Die Fahrt geht weiter Richtung Loburg. „Der Beamte meldet am Telefon, dass der Streifenwagen nur noch 1000 Meter entfernt ist. Am Himmel spiegelt sich schon aus der Ferne das Blaulicht“, so Weiß. Trotz 130 Stundenkilometern biegt der Verfolgte mit einem Hakenschlag schnell noch vor dem Ortsausgangsschild nach links auf eine einspurige Asphaltstraße ab. Weiter geht es mit bis zu 160 km/h in Richtung Buhlendorf.

Als Rolf Weiß dann den herannahenden Streifenwagen im Rückspiegel entdeckt, fährt er rechts ran und überlässt den Rest den Gesetzeshütern. Zur Verwunderung aller stoppt der Golf plötzlich. Zwei Männer springen raus, der Fahrer kann gefasst werden, der Beifahrer entkommt. „Nicht etwa das schlechte Gewissen hatte den Fahrer zum Anhalten bewogen, nach dieser Rallyefahrt war ganz einfach der 20 Jahre alte Golf überlastet und verreckt“, so Rolf Weiß.

Weiß: „Das Fahrzeug wurde durchsucht. Neben den passenden Einbruchwerkzeugen für Heizungsdiebstahl fand sich auch ein Benzinklau-Set, mehrere Kanister, und das Auto hatte keine Zulassung. Trotzdem wurde der Mann nach Aufnahme seiner Daten wieder laufen gelassen“, schildert Rolf Weiß das Ende einer spektakulären Verfolgungsjagd.

Die Polizeiinspektion Dessau hat den Vorfall auf Volksstimme-Nachfrage inzwischen bestätigt. Aus zwei Objekten in Jeber-Bergfrieden sind Kupferrohre der Heizungs- und Wasserversorgung entwendet worden. Der Schaden beläuft sich nach Schätzungen der Polizei auf mehrere Tausend Euro. „Die Ermittlungen zum vorliegenden Fall werden wegen des Verdachts des Wohnungseinbruchsdiebstahls geführt und dauern an“, schreibt Polizeisprecher Robert Niemann.

Am Sonntag um 1.18 Uhr habe sich dann ein Anrufer bei der Polizei gemeldet, bei dem es sich um den geschädigten Objekteigentümer des vorgenannten Einbruchs handelte. „Er teilte mit, dass er ein Fahrzeug in Richtung Zerbst verfolge, dass sich zuvor auf seinem Grundstück in Jeber-Bergfrieden befand“, erklärt der Polizeisprecher. Niemann: „Dank des Anrufers, der die Verfolgung aufgenommen hatte und detaillierte Angaben zum Fahrzeug und dessen Fahrtstrecke und Richtung geben konnte, gelang es den eingesetzten Kräften des Revierkommissariats Zerbst, das Fahrzeug im Bereich Lindau aufzunehmen.“

Zu diesem Zeitpunkt sei nach polizeilicher Überprüfung bekannt gewesen, dass die am Fahrzeug befindlichen Kennzeichen nicht vergeben waren. Der Fahrzeugführer habe versucht sich durch Flucht einer Kontrolle zu entziehen. „Im weiteren Verlauf hielt das Fahrzeug auf einem Feldweg an. Zwei Personen flüchteten zu Fuß. Die eingesetzten Beamten eilten den Flüchtenden nach und konnten eine der beiden Personen stellen“, schreibt Robert Niemann.

Bei dieser Person habe es sich um den Fahrzeugführer, einen 37-jährigen Mann aus dem Jerichower Land gehandelt. Er war nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, und das genutzte Fahrzeug war Ende 2019 außer Betrieb gesetzt worden. „Im Zuge der Überprüfung wurden das Tatfahrzeug sowie ein Teleskopschlagstock, Betäubungsmittel und andere Beweismittel sichergestellt“, berichtet der Polizeisprecher weiter.

„Diebesgut, das dem angezeigten Einbruchdiebstahl zum Tatort in Jeber-Bergfrieden zugeordnet werden könnte, wurde durch die Polizei im Tatfahrzeug nicht aufgefunden. Inwieweit der angezeigte Einbruchdiebstahl dem 37-Jährigen und dem bislang Flüchtigen zuzuordnen ist, bedarf weiterführender Ermittlungen der zuständigen Kriminalpolizei“, so Niemann. Der 37-jährige Tatverdächtige aus dem Jerichower Land sei nach Durchführung der polizeilichen Maßnahmen entlassen worden. „Es werden Ermittlungen wegen des Führens eines Kfz ohne Fahrerlaubnis sowie Verstoßes gegen das Pflichtversicherungs-, Waffen- und Betäubungsmittelgesetz geführt. Diese dauern an. Ferner dauert die Identifizierung des Flüchtigen noch an“, informiert Niemann.