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Verkehrslärm Keine schnellen Änderungen in Zerbst

Da Zerbst nicht Baulastträger der B184 ist, kann die Stadt dort keine Maßnahmen vornehmen.

Von Daniela Apel 09.02.2017, 07:00

Zerbst l Bereits 2012 hatte die Stadt Zerbst ein Leipziger Ingenieurbüro beauftragt, sich im Rahmen der zweiten Stufe der EU-Lärmkartierung in Sachsen-Anhalt den Schallimmissionen entlang der B 184 in Zerbst zu widmen. Auch der Geräuschpegel, den der Verkehr auf der L 55 zwischen Alter Teich und Dobritzer Straße verursacht, wurde betrachtet.

„Basis waren Berechnungen, keine Messungen“, blickte Heike Krüger, Leiterin des Bau- und Liegenschaftsamtes, am Dienstagabend im Bau- und Stadtentwicklungsausschuss zurück. Denn dieser hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob nun doch ein Lärmaktionsplan erstellt werden soll oder nicht. Eine entsprechende Antwort fordert das Landesamt für Umweltschutz in Halle, wie Heike Krüger ausführte. Damit verbunden ist – neben dem endgültigen Beschluss des Stadtrates – ebenfalls eine Öffentlichkeitsbeteiligung.

Die damalige Lärmkartierung ergab, dass an den beiden Hauptverkehrsstraßen in der Nacht 650 Personen einem Lärm zwischen 50 und 60 Dezibel ausgesetzt sind, 175 müssen gar eine Belastung von 60 bis 70 Dezibel ertragen. Auf Dauer sind solch hohe Schallintensitäten nicht nur störend, sondern können zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Erkrankungen beim Menschen führen. Das beginnt bei Schlafstörungen, setzt sich über erhöhten Blutdruck fort und mündet mitunter in Schwerhörigkeit. Die Lern- und Leistungsfähigkeit wird herabgesetzt, das Konzentrieren fällt schwerer, wie vielfältige Untersuchungen belegen.

In einem Lärmaktionsplan werden Maßnahmen festgelegt, welche die Geräuschkulisse besonders in den Nachtstunden mindern sollen wie beispielsweise die Herabsetzung der Geschwindigkeit, die Reduzierung von Fahrspuren, der Einbau von so genanntem „Flüsterasphalt“ bis hin zu Umgehungsstraßen.

„Wir schlagen dennoch vor, keinen Lärmaktionsplan zu erarbeiten“, wandte sich Heike Krüger an die Ausschussmitglieder. Als Hauptgrund führte die Amtsleiterin den Fakt an, dass es sich bei der B 184 und der L 55 um Bundes- und Landesstraßen handelt, bei denen die Stadt nicht als Baulastträger fungiert. Das bedeutet, die Zuständigkeiten, solche Maßnahmen umzusetzen, liegen beim Bund und beim Land. Konkreter Ansprechpartner in beiden Fällen ist die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt (LSBB). „Der LSBB können wir nur empfehlen, für Lärmminderung zu sorgen“, bemerkte die Amtsleiterin.

Christiane Schmidt (Grüne) interessierte, ob der Plan Voraussetzung sei, damit die Behörden handeln. „Das kann ich so nicht beantworten“, gestand Heike Krüger. Allerdings habe der Lärmaktionsplan keinen solch bindenden Charakter wie beispielsweise eine Satzung. „Das muss ich prüfen“, bemerkte sie.

Als verkehrt herum betrachtete Christiane Schmidt, dass bereits ein ablehnender Beschluss gefasst werden soll, bevor die Öffentlichkeit zum Sachverhalt angehört wird. „Diesbezüglich gibt es keine Vorschrift, in welcher Reihenfolge zu handeln ist“, begründete Heike Krüger das Vorgehen.

Gernot Rosenauer war der Ansicht, dass zunächst einmal eine konkrete Lärmmessung erforderlich wäre. „Sonst wissen wir nicht, wie hoch die Belastung genau ist.“ Zugleich wies er darauf hin, dass Lindau in der Betrachtung fehle, doch auch dort führe die stark befahrene L 55 durch. Grundlage für die Lärmkartierung sei eine Mindestanzahl an Fahrzeugen pro Tag, erläuterte Heike Krüger, weshalb nur die Bereiche der Kernstadt Zerbst ins Visier genommen wurden – die B 184 auf einer Länge von zwölf Kilometern und die L 55 auf einer Länge von einem Kilometer. Dass das Ganze nicht auf einer Messung, sondern nur auf einer Berechnung beruhe, sehe die 34. Bundesimmissionsschutzverordnung vor, so Krüger.

„Ich möchte die Erwartungshaltung relativieren“, schaltete sich Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) ein. „Böswillig gesagt, ist das eine Beschäftigungstherapie in Umsetzung von EU-Richtlinien“, erklärte er und betonte: „Wir ballern nicht noch 10 000 Euro für etwas raus, wofür sich der Baulastträger am Ende nicht interessiert.“ Deshalb laute der Vorschlag der Verwaltung, keinen Lärmaktionsplan erarbeiten zu lassen. „Wir wollen keine Pläne für den Papierkorb entwickeln“, betonte er.

Wie Dittmann ausführte, lehnt die LSBB für die B 184 eine Temporeduzierung ab. Auch der Rückbau von Fahrspuren käme nicht in Betracht. Was den Verantwortlichen inzwischen klar sei, ist, dass sich die Bundesstraße zwischen Alter Teich und Magdeburger Straße in einem schlechten Zustand befindet und instandgesetzt werden müsste. Wann ein solcher grundhafter Ausbau – eventuell mit „Flüsterasphalt“ – geschehe, könne „momentan nicht terminiert werden“, drückte sich der Bürgermeister vorsichtig aus. Zugleich erwähnte er die Ortsumfahrung für Zerbst, die wieder in den Bundesverkehrswegeplan in der Kategorie „erweiterter Bedarf“ aufgenommen wurde, deren Realisierung er allerdings sarkastisch auf den Sankt Nimmerleinstag datierte.

„Dem Aktionsplan kann ich nichts abgewinnen, wenn er für nichts eine Basis darstellt“, erklärte Christiane Schmidt. Eine Maßnahme zur Lärmminderung, welche die Stadt auch umsetzen könnte, sei eine Begrünung, gab sie zu bedenken. Die Dobritzer Straße oder auch die Bereiche vor den Wohnblöcken entlang der B 184 könnte man bepflanzen, überlegte sie.

„Die Idee finde ich grundsätzlich nicht schlecht“, sagte Margitta Schildt (Linke). „Wir sollten unsere Möglichkeiten als Stadt nutzen“, meinte sie und regte ebenfalls eine verkehrstechnische Überwachung der Bundesstraße an.

„Wir sollten kein Geld und Personal binden, wenn die Umsetzung des Lärmaktionsplanes nicht in unsere Zuständigkeit fällt“, erklärte Thomas Wenzel (FFZ). Stattdessen schlug er vor, eine Willensbekundung zu formulieren und in dieser auch die Ortschaften zu berücksichtigen.

Nicht zuletzt bezog sich Andreas Dittmann noch einmal auf die Öffentlichkeitsbeteiligung. „Hinweise, die aus der Bevölkerung kommen, schmoren bei uns nicht“, garantierte er. Vielmehr würden sie aufgegriffen und weitergeleitet und im Rahmen der Möglichkeiten reagiert. Beispielsweise in Form von Polizeikontrollen.

Am Ende stimmte der Ausschuss gegen die Aufstellung eines Lärmaktionsplanes.