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Wahl „Wechsel der politischen Kultur“

Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld will Swen Knöchel zum Landrat gewählt werden. Ein Interview.

25.02.2021, 23:01

Zerbst l In Anhalt-Bitterfeld wird am 6. Juni ein neuer Landrat gewählt. Momentan gibt es zwei Kandidaten – Volker Olenicak (AfD) und Andy Grabner (CDU). Jetzt will auch Swen Knöchel (Linke) als gemeinsamer Kandidat von SPD, Grüne und Linke seinen Hut in den Ring werfen. Über seine Visionen, Ideen und was er den Zerbstern zu sagen hat, hat Volksstimme-Redakteur Thomas Kirchner mit ihm gesprochen.

Volksstimme: Sie sind Mitglied des Landtages. Jetzt werfen Sie noch Ihren Hut für die Landratswahl in den Ring?

Swen Knöchel: Ja, ich möchte meine Erfahrungen aus zehn Jahren Landespolitik und über zwanzig Jahren Kommunalpolitik in die Waagschale werfen. Lange musste ich nicht überlegen, für das Landratsamt zu kandidieren. Ich war immer leidenschaftlicher Kommunalpolitiker. Mit dem Landkreis habe ich mich in der Vergangenheit oft beschäftigt, sei es in meinem Fachgebiet den Kommunalfinanzen, als ehrenamtlicher Vorstand eines freien Trägers der Jugendhilfe oder in der letzten Wahlperiode als zuständiger Abgeordneter für den Wahlkreis Köthen.

 

Warum treten Sie als gemeinsamer Kandidat von SPD, Grüne und Ihrer Partei an? Rechnen Sie sich damit größere Sieg-Chancen als ihre Mitbewerber aus?

Es sind – bei allen Unterschieden der Parteien – die gemeinsamen Schnittmengen welche diese Parteien bewogen haben, das Projekt zusammen anzu- gehen. Wir wollen nicht nur den Personalwechsel im Landrats-amt, sondern vor allem einen Politikwechsel. Hin zu mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und sozialer Gerechtigkeit. Ich finde, die CDU hat lange genug den Landrat gestellt.

Im Moment befinde ich mich in einem intensiven Austausch mit allen Partnern, denn der Vorrat an Gemeinsamkeiten soll nicht nur den Wahlkampf tragen, sondern vor allem auch die sieben Jahre danach.

Womit wollen Sie bei den Anhalt-Bitterfeldern punkten? Oder anders gefragt, wie wollen Sie den Landkreis erfolgreicher machen?

Ein Landkreis wie Anhalt- Bitterfeld, mitten in Deutschland, mitten in Sachsen- Anhalt, mit langer Industrietradition, reichem kulturellem Erbe, attraktiven touristischen Angeboten und einer Naturlandschaft, die sich in Deutschland selten findet – in einem solchen Landkreis muss mehr passieren, als nur die vorhandenen Gegebenheiten zu verwalten. Wir müssen diese Vielfalt zusammenführen und zur Blüte bringen. Vor uns stehen die Herausforderungen des Struktur- und Klimawandels, die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft nachhaltig.

Das Land wird sich verändern, und heute werden dafür in den Landkreisen die Weichen gestellt. Moderne Technologien sind gefragt, um die angepeilten Klimaziele zu erreichen. Aber wir haben mit der Hochschule Anhalt ein großes Potenzial genau dafür – nutzen wir es! Standortwettbewerb heißt heute nicht allein mehr: Wer hat das größte Gewerbegebiet? Sondern: Wo besteht der beste Internet-Anschluss? Wie erreiche ich die Standorte auch mit einem attraktiven öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)? Und vor allem: Wo sind die besten Fachkräfte? Der Zustand, die Standorte und Ausstattung der Schulen sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Dafür möchte ich mich in den kommenden sieben Jahren mit ganzer Kraft einsetzen.

Für die Zerbster ist der Landkreis und Köthen so weit weg wie die EU von Brüssel. Wie wollen Sie das ändern?

Dabei ist die EU mit ihren zahlreichen Strukturfördermaßnahmen für die Region Zerbst mindestens genauso wichtig wie der Landkreis. Ich möchte künftig den Landkreis in der Region erlebbar machen, die Möglichkeiten der Einwohnerversammlung in den Regionen genauso nutzen, wie den Behördenstandort Zerbst des Landkreises zu stärken.

Ein Brückenschlag zwischen Zerbst und der Landkreisverwaltung wäre – und das im wahrsten Sinne des Wortes – der kontrovers diskutierte Neubau einer Elbquerung bei Aken. Wie stehen Sie dazu? Werden Sie sich für das Projekt einsetzen?

Die Elbquerung ist Teil des Bundesverkehrswegeplan bis 2030. Aufgabe des Landkreises ist es, in den Planungsverfahren die Belange der Anwohner und des Naturschutzes stark zu vertreten, schließlich soll die Brücke durch das streng geschützte Biosphärenreservat Mittlere Elbe gehen. Zu verhindern gilt auch, dass Aken ein neues Eldorado für den Schwerlastverkehr wird. Nicht, dass am Ende der Verlust von Lebensqualität und des Unesco-Titels steht.

Die Zerbster hatten seit der Kreisgebietsreform immer das Gefühl, als säßen sie am Katzentisch – die dicksten Brocken gingen immer an die anderen. Was sagen Sie den Zerbstern?

Anhalt-Bitterfeld gibt es seit 2007. Von außen betrachtet sieht es aber immer noch nach drei Kreisen aus. Die Chance meiner Kandidatur ist eine besondere. Ich bin weder Zerbster, Köthener oder Bitterfelder. Damit kann ich unvoreingenommen für alle Bewohner des Landkreises da sein.

Den Bürgermeistern treibt die Kreisumlage regelmäßig den Schweiß auf die Stirn. Wie werden Sie als möglicher Landrat mit diesem umstrittenen Thema umgehen?

In der Tat haben Landkreis, Städte und Gemeinden eine Fülle von Aufgaben und insgesamt zu wenig finanzielle Mittel. Die Bundes- und Landespolitik verlangt, dass zwei Arme sich um ein viel zu kleines Tischtusch streiten. Wir müssen gemeinsam eine bessere finanzielle Ausstattung einfordern. Der Landkreis muss endlich einen angemessenen Anteil an den Gemeinschaftssteuern erhalten.

Für 2021 wurde die Kreisumlage ja gesenkt, aber wir steuern auf schwierige Zeiten bei den Kommunalfinanzen zu. Deshalb gilt es, Augenmaß zu wahren und einen gerechten Ausgleich zwischen Gemeinden und Landkreis herzustellen.

Viele Bürger – auch in der Einheitsgemeinde Zerbst – monieren, dass die politisch Verantwortlichen in Köthen sie nicht ausreichend und umfassend informieren – gerade jetzt, was die Pandemie betrifft. Werden offensiver mit Informationen umgehen, mehr erklären?

Ich habe zunächst die große Hoffnung, dass mit der Impfstrategie bald der Pandemie der Schrecken genommen ist und wir zu einem „normalen Leben“ zurückkehren können.

Mein Eindruck ist auch, dass derzeit im Kreis das Hinterzimmer der Ort politischer Entscheidungen ist. Da gehören diese aber nicht hin. Mit meinem Wahlantritt möchte ich deshalb vor allem für einen Wechsel der politischen Kultur werben.