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Weltmeister Mit der Kettensäge zum Kunstwerk

Zerbst und seine Weltmeister: Die Volksstimme stellt Michael Fröhlich, Weltmeister im Kettensägenschnitzen vor.

Von Paul Schulz 15.04.2019, 08:00

Zerbst/Straguth l Was für Michael Fröhlich als Hobby anfing, hat ihn mit der Zeit zu verschiedenen Meistertiteln auf nationaler und auch internationaler Ebene geführt. Der 47-Jährige aus Straguth schnitzt nämlich aus Holzstämmen wahre Kunstwerke – und zwar mit der Kettensäge. Sein größter Erfolg: Zusammen mit dem US-Amerikaner Dennis Beach schnitzt er sich beim 14. Huskycup im sächsischen Blockhausen – der Weltmeisterschaft im Kettensägenschnitzen – im Jahr 2017 zum Sieg und somit zum Weltmeistertitel. Das Thema der Meisterschaft ist „Europäische Großtierarten im Kampf oder Liebesspiel“.

Die Skulptur, die Fröhlich und sein amerikanischer Kollege anhand dieser Vorgabe anfertigen, zeigt einen lebensgroßen Hirsch, der von zwei Wölfen angefallen wird. Es ist schwer vorstellbar, dass am Anfang dieser so lebendig wirkenden Schnitzerei lediglich ein paar Baumstämme standen. „Insgesamt hatten wir und die anderen Teams etwa viereinhalb Tage Zeit“, sagt Fröhlich und erinnert sich an die letzten Minuten vor Ablauf des Zeitfensters: „Wir saßen dann vor der Skulptur. Fix und fertig. Und dann fiel mir auf, dass wir die Grandeln, also die Eckzähne des Hirsches, vergessen hatten. Dennis meinte noch: ‚Ach, du mit deiner deutschen Gründlichkeit. Da achtet doch keiner drauf.‘ Aber mir sind solche Kleinigkeiten wichtig. Diese Kleinigkeiten können über den Sieg entscheiden.“

Kurzerhand macht sich Michael Fröhlich also noch an diese Detailarbeit und arbeitet die Grandeln aus dem Holz hervor. Er wettet mit Dennis Beach um einen Kaffee, ob die Jury wohl dieses Detail beachten wird. Und siehe da: Einer der Juroren schaut dem Holzhirsch ganz genau ins Maul. Der Kaffee geht an Fröhlich.

Zudem bewerten die Juroren die Anatomie, die Bewegung, die Verarbeitung und den Gesamteindruck der Skulptur. Und der Hirsch hat die Fachjury überzeugt.

Doch welche Fähigkeiten braucht man, um mit einer Kettensäge Kunstwerke zu erschaffen? Laut Michael Fröhlich sind folgende Fähigkeiten von Vorteil: „Eine Handwerkliche Begabung ist schon förderlich. Zudem sollte man zeichnen können, über ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen verfügen und auch ein bisschen Fantasie mitbringen“, sagt der Straguther. Letztendlich ist es eben ein Kunsthandwerk, und viel Übung gehöre auch dazu.

Die Begeisterung fürs Schnitzen hat bei Michael Fröhlich aber schon viel früher angefangen. „Schon als Kind habe ich immer in der Werkstatt meines Großvaters geschnitzt. Aber nur für mich und nur mit dem Messer. Als Jugendlicher hatte ich dann das erste Mal eine Kettensäge in der Hand und habe dann angefangen, damit zu schnitzen“, blickt Fröhlich zurück.

Dass er in die professionelle Szene Einstieg fand, war zum Teil auch Zufall, sagt der Schnitzprofi. „Ich habe mir bei einer Fachfirma eine Schnitzschiene gekauft und die haben mich dann zu einem Schnitzwettbewerb eingeladen. Ich habe zwar zugesagt, aber war unglaublich nervös. Ich hatte einen riesen Respekt vor dieser Herausforderung“, so Fröhlich. Doch er setze sich durch und holte mit seiner 2,5 Meter großen Holzschildkröte prompt den ersten Platz.

Es folgen Kettensägenschnitzer-Treffen in den Vereinigten Staaten von Amerika (Pennsylvania und Wisconsin), Erfolge bei europäischen Meisterschaften und Wettbewerben sowie die Selbstständigkeit. Michael Fröhlich macht das Kettensägenschnitzen zum Beruf und schnitzt unterschiedlichste Skulpturen in Auftragsarbeit – nur nicht für sein eigenes Zuhause. „Meine Frau bedauert das auch manchmal und sagt, dass ich für andere so schöne Sachen schnitze, aber bei uns keine stehen“, sagt Fröhlich.

Darüber hinaus sei seine Frau auch seine schärfste Kritikerin. „Wenn ihr etwas nicht gefällt, dann sagt sie das auch deutlich“, so der Kettensägenschnitzer. Aber sie unterstütze ihn auch immer. Kümmere sich um die Buchung der Flüge, wenn er in die Staaten fliegt, und stärke ihm den Rücken. „Anders würde es auch gar nicht gehen“, sagt der Schnitzprofi.

Mittlerweile hat der Staguther aber das professionelle Schnitzen samt Wettkämpfen an den Nagel gehängt. Die Innenausbau-Firma, die er von seinem Schwiegervater übernommen hat, erfordert seine Aufmerksamkeit. Die Arbeit mit der Kettensäge ist für ihn jetzt wieder das, was es früher für ihn war: Ein Hobby, bei dem er mit vollem Herzblut dabei ist. „Das Schnitzen werde ich niemals aufgeben“, ist Fröhlich überzeugt.