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Magdeburg Hasselbach versus Haydn

Im folgenden Text geht es ein bisschen um Hasselbach, gar nicht um Wiener Klassik und ganz viel um Brunnen.

Von Nico Esche 20.04.2020, 23:01

Magdeburg l Ich lade Euch ein. Folgt mir mal eben ganz kurz in ein Gedankenkonstrukt. Wir stellen uns vor, wir spazieren entlang am Breiten Weg, vorbei am altehrwürdigen Opernhaus und sehen vor uns einen Platz, der geschmückt ist mit Blumen, verziert von Grünanlagen. In dessen Mitte, hoch zu Ross, ein Reiter in edlem Gewand.

Oder wir stellen uns vor, wir quälen uns die schmalen Stufen des Turms der Johanniskirche empor, blicken gen Süden und sehen ein Gewirr aus Gassen, ein Mischmasch aus Fachwerk und Dachgiebeln, die den Blick auf die Elbe verdecken.

Als letztes nehme ich Euch mit in die südliche Altstadt von Magdeburg. Wir sehen links von uns das Museum, die Zentrale der Grünen in Magdeburg, das Schauspielhaus, später den von prächtigen Häusern gesäumten Hasselbachplatz. Dort, in dessen Zentrum, ragt ein Obelisk in den Magdeburger Himmel, flankiert von fein gearbeiteten Statuen, die eine subtile Allegorie auf die Wissenschaft, der Industrie, dem Handel und der Landwirtschaft darstellt.

In den von mir oben beschriebenen Orten handelt es sich - Magdeburger wissen natürlich Bescheid - um den ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Platz (heute Unikreisel), das Knattergebirge und den Hasselbachplatz. Spezieller noch: den einst dort befindlichen Hasselbachbrunnen, der seine Schönheit in vollster Pracht inmitten des heutigen von Autolärm und Tram-Gerassel pulsierenden Herzen Magdeburgs präsentierte.

Logisch, dass der Brunnen Platz machen musste. Als einer der Verkehrsschlagadern der Landeshauptstadt, stünde dieses Monumentalwerk am “Hassel” im Weg. Deswegen verfrachtete man ihn verständlicherweise 2,48 Kilometer weiter weg, an den Haydnplatz.

2,48 Kilometer. Das sind mit dem Auto rund acht bis neun Minuten Fahrtstrecke (in Magdeburger-Fahrttempo also eher 15 Minuten), auf dem Fahrrad zehn Minuten, zu Fuß braucht man dann schon eher eine halbe bis dreiviertel Stunde. Das sind immerhin bei letztgenannten circa 80 Kalorien, die man auf dem Weg dorthin verbrennt. In demselben Zeitraum schickt die Sonne mehr Energie zur Erde als Menschen im Jahr verbrauchen, man kann in der Fluglinie EW2046 beinah die halbe Strecke von Stuttgart nach Hamburg zurücklegen, oder einen Krieg verlieren.

Der ein oder andere könnte festgestellt haben, dass der Autor mindestens dezent verwundert über die Entscheidung ist, die vor fast einhundert Jahren getroffen wurde. 1890 erbaut, getauft auf den Namen des Magdeburger Bürgermeisters Gustav Friedrich Hasselbach, 1927 aus verkehrlichen Gründen ins Neustädter Nirwana verschoben. Die Figuren? Kamen im Jahr 1950 abhanden, wurden um die Jahrtausendwende von zwei Bildhauern aus Halle rekonstruiert, der Brunnen am 13.11.2002 wieder eingeweiht.

Da stelle ich mir unweigerliche drei Fragen:

  • Warum der Haydnplatz, verloren zwischen Neustadt-Chic und Pendler-Romantik?
  • Was stellt man mit drei Meter großen Statuen an?
  • Warum wurde der Brunnen saniert von ausgerechnet zwei Hallensern … Hallenseraner … ach, Merseburg-Nordlern?

Die erste der Fragen konnte mir zumindest die Magdeburger Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra beantworten: "Der Haydnplatz ist als dauerhafter Standort des Hasselbachbrunnens anzusehen." Unbefriedigend.

Warum dann nicht raus aus der grauen Neustadt, zurück an den Hassel, diesem Kleinod architektonischer Wunder und Anzugspunkt touristischer Aktivität? “Eine Versetzung des Hasselbachbrunnens auf den Hasselbachplatz [...] wäre außerdem mit einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand verbunden”, argumentiert das Rathaus. Das liebe Geld, das seinen Platz lieber in Tunnel und Stadien wiederfindet - ein Schelm wer böses dabei denkt.

Eine Petition vielleicht, die das Ziel hat, der Magdeburger Politik mit den Daumen in die offene Wunde “Kultur in Magdeburg” zu legen und den Brunnen an seinen angestammten Platz zurückzuholen? Kerstin Kinszorra dazu: “Nach Kenntnisstand der unteren Denkmalschutzbehörde wird der Standort von der Öffentlichkeit nicht hinterfragt”.

Nun. Dann bin ich wohl der einzige hier, der sich wundert und die Verhältnisse wieder klarstellen will. Liegt vielleicht auch daran, dass ich auf diese sich im Wind bewegende, vier Meter hohe Abart der Natur und ästhetische Komplett-Verirrung an der Liebigstraße sehr gut verzichten kann. Man kann ja nicht alles haben und das wenige was man hat, reicht nicht aus.

Was haltet Ihr von der Verlegung des Hasselbachbrunnens? Sollte er wieder zurück? Meint Ihr, die Stadt mache zu wenig auf kulturhistorischer Ebene? Und was mich am meisten interessiert: Was haltet Ihr von der Kunstinstallation am Hassel, Ecke Liebigstraße? Lasst es uns wissen, in den Kommentaren.

Euer (dauerzwinkender) Nico Esche