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Maler Walter Gemm Halberstadt in vielen Wohnzimmern

Eine Schule trägt seinen Namen, in vielen Wohnungen hängen Originale oder Drucke seiner Bilder. Walter Gemm, starb vor 45 Jahren.

Von Gerald Eggert 17.03.2018, 09:00

Halberstadt l Seine Bilder hängen im Museum, in Schulen und im Bahnhofsgebäude von Halberstadt, vor allem aber in unzähligen Wohnungen von Halberstädtern in der Domstadt selbst, in ganz Deutschland und darüber hinaus. Die Rede ist von Walter Gemm, dem Kunstmaler und Grafiker, der wie kein anderer mit Stift und Pinsel als Bildchronist seiner Heimatstadt wirkte.

Gemm, der am 27. November 1898 als Sohn eines Handschuhmachers das Licht der Welt erblickte und mit sieben Geschwistern in der Halberstädter Altstadt zwischen Torteich und Holtemme aufwuchs, besuchte die Volksschule II in der Bleichstraße, wo er in einer Klasse mit dem bekannten Schriftsteller Bert Brennecke die Schulbank drückte.

1912 begann er mit einer vierjährigen Lehre zum Dekorationsmaler beim Malermeister Kriesel. Aufgrund seiner vorzüglichen zeichnerischen Fähigkeiten erhielt er vom Magistrat der Stadt ein Stipendium aus der Buchhorn-Stiftung zum Besuch der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg, Fachklasse dekorative und allgemeine Malerei. Lehrer war zu dieser Zeit Prof. Adolf Rettelbusch, ein bekannter Landschafts- und Architekturmaler, der seit seiner Brockenbesteigung den Beinamen Brockenmaler trug.

Doch schon im zweiten Semester musste der 19-Jährige wegen der Einberufung die Ausbildung abbrechen. 1918 nach Halberstadt zurückgekehrt, ruhte die künstlerische Arbeit zu nächst. Er arbeitete in seinem erlernten Beruf und verließ 1920 seine Heimatstadt. In den Grafischen Werken von Bruchsal fand er als Entwurfszeichner eine ihm zusagende Tätigkeit. Nach der Tagesarbeit besuchte er in Abendkursen die Karlsruher, deren Direktor der greise Nestor der deutschen Maler Hans Thoma war. Unter Prof. Haueisen lernte der Halberstädter figürliches Zeichnen und erwarb wichtige Kenntnisse, die er fortan in der Praxis noch verfeinerte.

1923 wurde er freischaffender Künstler und eröffnete im selben Jahr seine erste Ausstellung. Viel Zeit widmete er Bildern seiner Heimatstadt und des Harzes. Außerdem arbeitete er für einige Museen und versorgte mit seinen grafischen Werken vornehmlich die „Halberstädter Zeitung“.

Aber auch in anderen Tageszeitungen, Kalendern und Büchern dienten die Zeichnungen als Bildschmuck. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wird er eingezogen und hält das Kriegsgeschehen mit dem Zeichenstift fest. Am 8. April 1945 läuft er aus Quedlinburg seiner brennenden Heimatstadt entgegen. Im strahlenden Glanz der Mittagssonne hatten amerikanische Bomber ihre todbringende und zerstörerische Last über der Stadt ausgeklinkt und 80 Prozent der Innenstadt in Schutt und Asche gelegt.

Dieser Einschnitt in die Geschichte seiner Heimatstadt fügte dem Maler viel seelischen Schmerz zu. Ein großer Teil der malerischen Stadt mit ihren unersetzlichen Baudenkmalen war zerstört. Fortan konzentrierte Gemm sein künstlerisches Schaffen darauf, nicht nur den Untergang und den Neuaufbau zu malen und zu zeichnen, sondern mit Stift oder Pinsel jenes wieder erstehen zu lassen, was unwiederbringlich zerstört worden war.

Dass er Halberstädter mit Leib und Seele war, kam nicht nur in seinem künstlerischen Schaffen zum Ausdruck. Walter Gemm setzte sich für den Wiederaufbau und den Erhalt der Stadt ein. Er schreckte vor öffentlicher Kritik und Unterschriftensammlungen nicht zurück. 1967 wurde die Ruine der Franzosenkirche nach seinem Entwurf als Gedenkstätte gestaltet, an der jedes Jahr am 8. April der verheerenden Zerstörung Halberstadts und der vielen Toten gedacht wird.

Ein Jahr zuvor war Walter Gemm wegen seiner Verdienste um Halberstadt mit dem Kunstpreis der Stadt geehrt worden.

Am 17. März 1973 nahm dem unverwechselbaren Heimatmaler der Tod Palette, Pinsel, Skizzenblock und Stift für immer aus der Hand. Was bleibt, sind Tausende seiner Gemälde und Zeichnungen sowie die Erinnerung an einen Halberstädter voller Frohsinn und Humor, der vielen Menschen ein echter Freund war. Und der wie Dr. Christa Johannsen anlässlich Gemms 65. Geburtstages formulierte, „der Optimist, der Maler, unter dessen Händen die Geschichte unserer Stadt lebendig geworden ist...“