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Pollinator Blondie: Immer noch Punk, immer noch Disco

In den 70er- und 80er-Jahren gelang Blondie das Kunststück, Punk, New Wave und Disco in eingängigen Radiosongs zu vermischen und dabei zeitlos cool zu wirken. Mehr als 40 Jahre nach der Bandgründung klappt das immer noch ganz gut.

Von Philip Dethlefs, dpa 08.05.2017, 05:00

London/New York (dpa) - "Ein bisschen Melodie" nennt Sängerin Debbie Harry die wichtigste Zutat für einen guten Blondie-Song. "Wir versuchen, etwas zu machen, was im Kopf bleibt und melodisch ist, ein eingängiger Refrain."

Das ist der einflussreichen Kultband aus New York in ihrer langen Karriere mit unzähligen Welthits wie "One Way Or Another", "Call Me" und "Atomic" gelungen. Und auch auf dem elften Studioalbum "Pollinator" gibt es davon reichlich.

Die beiden vor einiger Zeit veröffentlichten Singles "Fun" und "Long Time" geben einen guten Vorgeschmack. Die lässige Tanz-Nummer "Fun" klingt sogar noch mehr nach 70er-Jahre-Disco als alles, was Blondie damals produziert haben. Am Ende des zugehörigen Videoclips werden Erinnerungen an die Partys im "Studio 54" wach. In der legendären New Yorker Discothek wurde einst das Video zu "Heart Of Glass" gedreht. Teile des Gute-Laune-Hits sind auf dem neuen Album unüberhörbar in "Long Time" eingeflossen. "Wir zelebrieren Recycling", gibt Sängerin Debbie Harry zu.

Harry ist 71 Jahre alt, Gitarrist Chris Stein ist 67. Während manche Bands in diesem Alter einen Gang runterschalten und hörbar langsamer werden, setzen Blondie mit "Pollinator" weiter auf dynamische, treibende Songs. "Ich wusste, dass es mehr nach Rock'n'Roll klingen muss", erklärt Stein im dpa-Interview. "Weniger elektronisch, mehr gitarrenbasiert" sollte es sein. Das ist besonders auf dem punkigen Opener "Doom Or Destiny" gut gelungen. In knapp drei Minuten hat Stein auch noch Zeit für ein schönes Gitarrensolo nach alter Schule. Im Hintergrund ist Gastsängerin Joan Jett ("I Love Rock'n'Roll") zu hören.

Auch beim Songwriting haben sich Blondie Unterstützung von außen geholt. Der Albumtitel (deutsch: "Bestäuber") beschreibt das Konzept: Man bestäubt und lässt sich bestäuben. Etwas weniger als die Hälfte der Songs haben Blondie selbst geschrieben. Die anderen stammen von unterschiedlichen Songwritern und wurden dann "blondiefiziert".

Die Britin Charli XCX, bekannt geworden als Sängerin des Dancefloor-Hits "I Love It" von Icona Pop, steuerte den Synthie-Rocker "Gravity" bei, die australische Künstlerin Sia ("Cheap Thrills") lieferte die etwas monotone Ballade "Best Day Ever". Auch der frühere Smiths-Gitarrist und erklärte Blondie-Fan Johnny Marr wirkte an "Pollinator" mit. Er schrieb "My Monster" und spielte auch gleich die Gitarre bei dem melodischen Rocksong.

Die Songs auf dem neuen Album drehen sich hauptsächlich um Zwischenmenschliches, um Liebe, beginnende und endende Beziehungen. "Do you love me yet? Fuckin' prove it!" ("Liebst du mich noch? Dann beweis es, verdammt noch mal") fordert Harry bei "Fragments". Der ungewöhnlich progressive Siebenminüter, der erst nach zwei Minuten Fahrt aufnimmt, stammt aus der Feder des kanadischen Indie-Songwriters Adam Johnston.

Getüftelt, produziert und aufgenommen haben Blondie im kleinen Kreis im berühmten The Magic Shop, dem New Yorker Studio, in dem auch David Bowie und Lou Reed ihre Platten aufnahmen. Am Vorgängeralbum "Ghosts Of Download" (2014) habe Stein überwiegend im Alleingang gearbeitet. "Dieses Mal haben wir es mehr als Band im Studio gemacht", erzählt Harry, "so wie früher." Soll heißen: Das Material auf "Pollinator" wurde größtenteils live eingespielt. Es war übrigens das letzte Album, das im Magic Shop aufgenommen wurde. Das Studio wurde nach 28 Jahren geschlossen, weil die Miete im New Yorker Stadtteil Soho zu hoch wurde.

Wie sich schon bei vergangenen Blondie-Konzerten abzeichnete, ist Harrys Stimme deutlich dünner geworden. Das war bereits auf dem Vorgängeralbum "Ghosts Of Download" (2014) zu hören. Auf "Pollinator" wurde ihre Stimme mitunter auch technisch verändert. Besonders stark ist das zu hören bei den Tracks "Best Day Ever" und "Gravity", in denen ihr Gesang mit verschiedenen Effekten überzogen wurde. Das stört aber nicht weiter.

"Wir wollten ein traditionelleres Blondie-Album machen, das nach unseren früheren Werken klingt", hatte Harry versprochen. Und Blondie haben Wort gehalten. Harry, Stein und Co. verbinden auf "Pollinator" mal wieder Punk, New Wave und Disco zur einer hochwertigen Popmischung, die dem typischen Blondie-Sound treu bleibt. Der klingt zwar unvermeidbar reifer als vor 40 Jahren, ist aber immer noch ziemlich lässig und bleibt lange im Kopf.

Website Blondie

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