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Sehr verspielt Cocoon im Jahr "Q" mit neuer Compilation

Im siebzehnten Erscheinungsjahr feiert Cocoon auf seiner aktuellen Compilation die grenzenlose Spielfreude elektronischer Musik.

Von Christian Sundqvist, dpa 28.06.2017, 05:00

Hamburg (dpa) - Cocoon Recordings, das Frankfurter Label von Sven Väth, veröffentlicht seit 2000 eine jährliche Compilation, die fortlaufend mit einem einzigen Buchstaben benannt wird.

Was vor 17 Jahren mit dem Buchstaben "A" begann, ist mittlerweile bei "Q" angelangt und jetzt digital, auf CD und auf dunkelgrünem Sechsfach-Vinyl erschienen.

Bei der Cocoon-Compilation handelt es sich im Gegensatz zu vielen anderen Label-Samplern nicht einfach um eine Werkschau oder eine Präsentation aktueller Künstler. Stattdessen werden die in der Regel zwölf enthaltenen Stücke exklusiv für das Frankfurter Label produziert. Die beitragenden Künstler müssen dabei nicht unbedingt zur Cocoon-Familie gehören und dürfen unter ihrem Künstlernamen auch nur dieses eine Mal innerhalb der Compilation-Reihe veröffentlichen.

Dieses Konzept wirkt offensichtlich wie ein Jungbrunnen und sorgt dafür, dass die aktuelle Ausgabe erneut ganz anders tickt als der Vorgänger. Schob die sehr empfehlenswerte "P"-Compilation (2016) mit ihren häufig effizient und schnörkellos produzierten Tracks gnadenlos nach vorne, ist die gemeinsame musikalische Klammer in diesem Jahr die gut erkennbare und eben nicht schnörkellose Spielfreude auf den meisten Tracks.

Ein ausgeprägter Hang zur Spiel- und Experimentierfreude, wenn auch in recht verschrobener Weise, findet sich dann bereits beim Opening-Track von Kamran Sadegh. "Anno Domini" dreht sich dabei beständig um ein leicht unbehaglich klingendes Melodie-Fragment, arbeitet pointiert mit Hi Hats und Claps und kokettiert mehr als einmal mit dem Zusammenbruch seiner fragilen Struktur.

Nicht weniger verschroben, um nicht zu sagen noch mal ein ganzes Stück verpeilter, geht es auf dem knapp zehn Minuten langen, ebenfalls irgendwie spooky klingenden Nachfolger "Da Dang" von Alex & Digby zu. Der Titelname enthält dabei interessanterweise schon den gesamten gestotterten Text des Tracks, der vor mehr als zehn Jahren auch gut zu Foundsound gepasst hätte.

Die Sonne geht dann schließlich auf dem "Da Dang"-Nachfolger "Ode To Be" vom omnipräsenten Sebastian Mullaert auf. Der Trackaufbau ist dabei, wie von Sebastian gewohnt, perfekt strukturiert und nach einer Minute tauchen die typischen, vor Lebensfreude schier berstenden Sounds auf, die unter anderem an den Minilogue-Klassiker "Hitchhikers Choice" auf Crosstown Rebels erinnern.

Erschreckend gut gelaunt und abwechslungsreich geht es weiter mit Tracks von Harald Bjoerk und Ornaments-Label-Buddy Carlos Nilmmns, bevor Rico Puestel dann mit dem überbordenden Track "If I'd Care More" hinsichtlich Spielfreude den Vogel abschießt. Der Track vibriert zu Beginn lediglich maschinell-perkussiv, bevor mehrere Schichten gut gelaunter Melodien und Sequenzen das Ruder übernehmen und der Track schließlich seinen lebensfrohen Zenit in Form eines durchgedrehten Heimorgel-Solos erreicht.

Klassisch cluborientierte Tracks finden sich allerdings auch auf "Q", beispielsweise das bewegend gestaltete und mit einem perfekten Break versehene "Pulse Train" von Söllscher & Siech. Ebenfalls ausgezeichnete Tanzflächeneignung hat das sehr prototypisch und sehr fokussiert produzierte Stück "Sequence in D", das unerwarteter Weise vom (Deep) House-Spezialisten Fort Romeau kommt.

Den zwölften und abschließenden Track der Compilation liefert nach dem letztjährigen Überhit "All This Is For A Jump" von Atelier Francesco in diesem Jahr der Schwede Baba Stiltz mit "All I Can (About You)". Das über zehn Minuten lange Stück knüpft dabei nahtlos an die verschrobene Machart von "Da Dang" an und geht mit seinen ruhelosen und getrieben wirkenden Vocals als vertonter manischer Liebeskummer mit hoher Stalking-Wahrscheinlichkeit durch.

Cocoon schafft es auch 2017 auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Künstler wie Baba Stiltz, Fort Romeau oder Sebastian Mullaert unter einem musikalischen Dach zu versammeln. Heraus kommt dabei eine unberechenbare, spannende und hochwertige Compilation, deren Existenzberechtigung auch für die kommenden Buchstaben nicht zur Debatte steht. Weiterhin verdeutlicht die Track-Auswahl auf "Q", wo die wahre Stärke der elektronischen Musik liegt: Nämlich in ihrer ungezügelten, grenzenlosen, individuellen und verbindenden Kreativität.

Website Cocoon