1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Musik
  6. >
  7. Isolation Berlin: Wehmut und Selbstzerstörung

Zweites Album Isolation Berlin: Wehmut und Selbstzerstörung

Bedeutungsloser Sex, Kotzen in der U-Bahn-Station, Anstehen am Pfandflaschenautomaten: Das Leben in Berlin ist rau und immer ein bisschen egal, und es wird wohl von niemandem derzeit besser besungen als von der ungestümen Band Isolation Berlin.

Von Alexandra Stahl, dpa 23.02.2018, 07:39

Berlin (dpa) - "Mitten in Berlin träume ich von Wien" - so schlimm? Allerdings. Die Welt ist nicht schöner geworden, und die Liebe funktioniert immer noch nicht.

Isolation Berlin, die Band rund um Sänger Tobias Bamborschke irgendwo zwischen Pop und Punk, leidet weiter an der Großstadt und am Leben und macht daraus Kunst für alle, denen es genau so geht. "Vergifte Dich" heißt das zweite Album, und das ist wörtlich gemeint: Wenn man keinen Sinn mehr sieht, gibt es immer noch Rauschgift, skandiert Bamborschke und setzt damit den Ton, der irgendwo zwischen Wehmut und Selbstzerstörung liegt.

"Wenn du mich suchst, du findest mich am Pfandflaschenautomat, da hol ich mir zurück, was mir gehört": Schon der erste Song "Serotonin" zeigt, wie die Dinge stehen. So richtig viel zu holen gibt es nicht. Man bringt seine Flaschen zurück, "zerlatscht" den Tag im Park, "die Parkbank wird zum Sarg", und zuhaus denkt man kurz, alles sei gar nicht so schlimm: "Dann bau ich mir ein Kartenhaus aus Serotonin mitten in Berlin."

Das Bestechende an der Band, zu der neben Bamborschke noch Max Bauer (Gitarre), David Specht (Bass) und Simeon Cöster (Schlagzeug) gehören, ist die Direktheit. Schon in einem ihrer ersten Songs erklärte die 2012 gegründete Band "Ich nehm die nächste U-Bahn und fahr zum Bahnhof Zoo. Dort nehm ich mir 'nen Strick und häng' mich auf im Damenklo". Die Kritiker waren beim Debütalbum "Aus den Wolken tropft die Zeit" (2016) entzückt. Auch jetzt ist nichts weichgespült.

Wer Hoffnung sucht, ist bei Isolation Berlin total falsch. Stattdessen gibt es die ganze Tristesse eines anonymen Berlin, in dem nichts zählt und alle noch wohin müssen.

Es herrschen die übliche Sinnsuche mit den Körperteilen ("Ich kämpf mich wie besessen durch die Betten dieser Stadt und morgens fall ich nüchtern von den bleichen Leibern ab"), die komplette Desillusionierung ("Ich war schon überall, ich hab alles schon gespürt"), der Hass auf die anderen ("Die Leute reden so viel Blech, mir wird ganz schlecht"). Und ein Song heißt einfach: "Wenn ich eins hasse dann ist das mein Leben."

Das alles klingt mal fiebrig-rockig, mal schrammelig-punkig und oft schwer und traurig. Über allem thront die Stimme von Bamborschke, der mal sagte, dass ihn die ewigen Rio-Reiser-Vergleiche auch ein wenig nerven. Wie auch immer man es sehen will: seine Stimme ist bemerkenswert, die Texte sind es auch.

Der Sänger, den der Kritiker Andreas Borcholte als "Depressionslyriker mit Anarcho-Humor" bezeichnete, klingt mit 29 Jahren immer auch, als habe er schon genug vom Leben. Ein Gedicht- und Geschichtenband, den der Musiker im vergangenen Herbst veröffentlichte, heißt "Mir platzt der Kotzkragen". Bei einem Festival sprach Sänger Bamborschke auch über seine Depressionen.

"Ich persönlich bin in Berlin aufgewachsen und an der Stadt zerbrochen. Aber dieses Zerbrechen war wichtig für meine persönliche und künstlerische Entwicklung", sagte der Musiker mit der schwarzen Elbseglermütze mal in einem Interview.

Das alles kann man auch zu negativ finden, das alles kann man auch als Pose abtun. Dafür allerdings haben die Texte zu viel Witz - und zu viel Tiefe.

Das beste Lied des neues Albums ist vielleicht "Vergeben heißt nicht vergessen". Wenn Bamborschke über leisen Gitarrenklängen mit sanfter und ein bisschen müder Stimme singt: "Die Monate reichen sich lustlos die Hände. Mit todmüden Augen seh ich die Jahre vergehen. Es gibt kein Zurück und ich komm nicht voran. Auf Sonne folgt Regen und dann fällt der Schnee", dann ist das einfach sehr traurig. Und sehr schön.

Isolation Berlin auf Facebook