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Reifeprozess Keine Träumer mehr: Mighty Oaks veröffentlichen "Dreamers"

Die Mighty Oaks kehren mit ihrem zweiten Album "Dreamers" zurück - frisch rasiert und mit neuen Themen. Die Lagerfeuerromantik weicht langsam üppigen Pop-Harmonien.

Von Oliver Beckhoff, dpa 29.03.2017, 05:00

Hamburg (dpa) - Vollbärte und Akustikgitarren, in lichtdurchfluteten Wäldern Fangen spielen: In ihrem ersten Musikvideo präsentierten sich die Mighty Oaks vor drei Jahren als sympathische Naturburschen.

Das Cover des Debütalbums "Howl" zeigt das Trio wandernd, beim Erklimmen einer Bergkuppe, im Hintergrund ein Gipfelpanorama, in Instagram-Optik, fotografiert im Gegenlicht. Die "mächtigen Eichen" sahen aus wie urbane Hipster, Männer der Stunde also, und machten die Musik der Stunde: Folk-Pop, der viele an Mumford & Sons erinnerte.

Der eingängige Lagerfeuersound - Mandolinen, Akustikgitarren und mehrstimmige Refrains - brachte sie schnell in die Hot Rotation junger Radioformate und bis auf Platz zehn der deutschen Albumcharts. Drei Jahre danach ist mit "Dreamers" jetzt der Nachfolger erschienen. Am 12. April gibt die Band das erste Deutschland-Konzert zur "Dreamers"-Tour in Hamburg.

Doch die Welt hat sich gewandelt: Medien nennen Männer mit Vollbärten nicht mehr zwangsläufig "Hipster". Von Mumford & Sons hört man derzeit nicht allzu viel. Und von Lagerfeuerromantik ist das Weltgeschehen derzeit auch weit entfernt. Auch, weil die USA inzwischen von einem Mann regiert werden, der sich "wie ein kleines Kind" verhalte, sagt Lead-Sänger Ian Hooper.

Darum haben die Mighty Oaks, namentlich Hooper, die Gesichtsbehaarung getrimmt und in Gang gesetzt, was Kritiker seit Urzeiten von einem zweiten Werk erwarten: einen Reifeprozess. "We were Dreamers", singt er in dem Stück, das dem Album den Namen gegeben hat: "We were stargazers, everything amazed us". Verträumt in die Sterne schauen, unbeschwert, voller Lebenslust: Es ist die Rückschau auf ein Lebensgefühl, das die Wahl-Berliner Hooper (USA), Gitarrist und Keyboarder Claudio Donzelli aus Italien und Bassist Craig Saunders (England) vor drei Jahren noch mehrstimmig besangen.

In den drei Jahren seit "Howl" ist das Songwriting vielschichtiger geworden. Piano-Elemente nehmen eine tragende Rolle ein. Der Akustiksound weicht stellenweise üppigen Pop-Harmonien, Gitarrensolos und Streicher inklusive. Textlich kann sich nicht mehr nur die Generation der Backpacker angesprochen fühlen, deren Lebensgefühl auf "Howl" in Songzeilen wie "Go on trips - moving with the weather as it shifts" beschworen wurde. Es geht es um die Fragen, die sich einstellen, wenn der "work and travel"- Aufenthalt vorbei ist, das Studium sich dem Ende neigt und die Beziehungen verbindlicher werden: Wer war ich, wer bin ich, wo möchte ich hin?

Die Mighty Oaks feiern nicht mehr den Moment. Stattdessen wird zurückgeschaut, werden Lehren gezogen, wird sich selbst hinterfragt. Werde ich gut genug sein für das, was da kommt?, fragt sich Hooper in "The Great Unknown". "Ich habe letztes Jahr geheiratet und bin Vater geworden", sagt Hooper. "Das ändert automatisch die Perspektive." Selbst die Songs, die vorrangig im Hier-und-Jetzt angesiedelt sind, transportieren nun eine gewisse Altersweisheit. Wie das hymnische "Raise Your Glasses", in dem es um das Verbundenheitsgefühl unter Freunden geht, die zusammen feiern.

Das Zusammensein, das Anstoßen, das Glück des Moments - all das steht nicht mehr bloß für sich selbst. Es ruft nun ins Gedächtnis, dass auch die schönsten Zeiten vorübergehen. "We'll never be this young again", singt Hooper im Refrain, was eins zu eins auf das deutsche Sprichwort: "So jung kommen wir nicht mehr zusammen" passt. Was die Hamburger Schule-Veteranen von Tocotronic mit Skepsis in die Zukunft blicken ließ, wird bei den Mighty Oaks zu einer Art Postkartenmotto: Das Leben ist kurz, also genieße jeden Atemzug.

Wer nicht die ganz große erzählerische Tradition der amerikanischen Folk-Kultur sucht, findet in "Dreamers" ein ausgereiftes Album, das sich gleich beim ersten Hören festsetzt. Die zugleich rauchige und jugendliche Stimme von Hooper, besonders wenn er von Donzelli und Saunders verstärkt wird, tut ihr Übriges.

Und während sich ein gewisser Dünkel einstellt, ob das nicht alles zu rund, zu radiotauglich, vielleicht zu durchdacht ist, wippt der Fuß schon wieder im Takt, will man sich ans Feuer setzen und mit einstimmen, auch wenn es dort langsam eng wird neben den Streichern. Die Mighty Oaks müssen wohl anderswo weitersingen. Vielleicht auch mal im Stadion. "Wir schließen nichts aus", sagt Saunders. Das Leben ist kurz.

Website Mighty Oaks