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The Imperial The Delines gelingt ein Meisterwerk des Country-Soul

Die Zukunft der Delines stand auf der Kippe, als Sängerin Amy Boone einen schweren Verkehrsunfall erlitt. Doch zum Glück ging die Sache gut aus. Das Album "The Imperial" ist nun ein neues Aushängeschild des Country-Soul.

Von Werner Herpell, dpa 31.01.2019, 12:38

Berlin (dpa) - Schon das Debüt war ein Volltreffer: "Colfax" von The Delines landete 2014 in diversen Jahresbestenlisten. Mit "The Imperial" (Decor/El Cortez/Indigo) hat sich das Sextett aus Portland/Oregon um Songschreiber Willy Vlautin und Sängerin Amy Boone nun nochmals gesteigert.

Die Platte ist ein künstlerischer Triumph, der freilich zeitweise nicht mehr zu erwarten war. Denn nach "Colfax" und der nur bei Konzerten verkauften Songsammlung "Scenic Sessions" (2015) verunglückte Boone schwer - sie wurde auf einem Parkplatz überfahren. Eine langwierige Rehabilitation nach Beinbrüchen und anderen Verletzungen folgte, Panikattacken kamen hinzu - kurz: Es sah nicht mehr so aus, als könne die für den Delines-Sound so essenzielle Sängerin ihren Platz am Mikro je wieder einnehmen.

Vlautin, vor allem als Autor traurig-realistischer Loser-Romane ("Motel Life", "Lean On Pete", "Die Freien") sehr erfolgreich, hatte Boone bei einer Tournee seiner Folkrock-Truppe Richmond Fontaine kennen- und ihre Wahnsinnsstimme lieben gelernt. "Ich hörte ihr also zu und begann davon zu träumen, in einer Band zu sein, für die sie die ganze Zeit singen sollte", sagte er kürzlich. "So begann das mit The Delines - ich wollte mich im Hintergrund verstecken und Amys Gesang lauschen."

Man kann den freundlich-bescheidenen Singer-Songwriter Vlautin gut verstehen - erst recht, wenn man jetzt "The Imperial" hört. Boones sensible Vocals tragen den wunderbar melancholischen Country-Soul der Delines, besser: sie bringen ihn zum Schweben. Seit Dusty Springfield ("Dusty In Memphis") oder Bobbie Gentry ("Ode To Billy Joe") Ende der 60er Jahre hat vielleicht keine Sängerin mehr die Mixtur aus weißer und schwarzer Soulmusik schöner mit ihrer Stimme veredelt.

Aber nicht nur Boones Gesang ist herzzerreißend auf "The Imperial" - auch Vlautins Texte über Menschen am Rande der US-Gesellschaft, von unglücklicher Liebe geschädigte oder sonst wie entwurzelte Zeitgenossen haben diese Wirkung. Jeder der neuen Songs - vom aufmunternden "Cheer Up Charley" über das tief bewegende "Where Are You Sonny?" oder die Moritat "Eddie & Polly" bis zum abschließenden "Waiting On The Blue" - weckt Kinobilder im Kopf.

Deshalb sind auch die opulente Produktion von John Morgan Askew, die Cinemascope-Arrangements dieser zehn Balladen so kongenial: Steel-Gitarre, fette Bläsersätze, hin und wieder dezente Streicher untermalen Vlautins Kurzgeschichten in Liedform und Boones großartige Altstimme. Eine weitere Wunderwaffe des Albums ist Pianist und Trompeter Cory Gray, dessen Kunst den Delines-Sound im Vergleich zu "Colfax" auf ein neues Level hebt.

"The Imperial" ist eine aus der Zeit gefallene, dabei aber auch völlig zeitlose Platte. "Erwachsenen-Musik" ohne jeden modischen Schnickschnack, mit Liedern zum intensiven Zuhören und zum sehr lohnenden Texte-Nachlesen. Ein Meisterwerk. Jetzt mögen The Delines - nach einer Tournee durch Irland und Großbritannien im Januar/Februar - bitte bald auch mal nach Deutschland kommen, um uns mit ihrem Country-Soul zu verzaubern.

Website The Delines