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Encore The Specials: Ska-Comeback zum Brexit-Chaos

Als The Specials 1979 mit ihren Ska- und Reggae-Hits die britische Popszene aufmischten, war das Land politisch tief in der Krise. Jetzt ist die Lage im Königreich dank Brexit wieder verfahren - gute Zeiten also für ein Specials-Comeback.

Von Werner Herpell, dpa 04.02.2019, 11:40

Berlin (dpa) - Smarte, tanzbare Popmusik für politisch unruhige Zeiten in Großbritannien - das war die Kernkompetenz von The Specials schon vor 40 Jahren.

Ein Comeback, bei anderen Bands nach schier endloser Kreativpause durchaus fragwürdig, ergibt im Falle dieser Ska-Pioniere aus Coventry Sinn: Denn politisch unruhig sind die Zeiten im uneinigen Brexit-Königreich von heute nun wirklich wieder.

Eine Rückkehr der Specials - deutlich später als etwa die Ska-Pop-Kollegen Madness oder The Selecter - war also hochwillkommen. Und hier ist sie nun, die erste Studioplatte mit Originalsänger Terry Hall seit "More Specials" von 1980 - bis vor kurzem noch kaum für möglich gehalten und süffisant "Encore" ("Zugabe") betitelt.

Aus der Besetzung des legendären Debüts "The Specials" (1979) sind neben Hall noch Gitarrist Lynval Golding und Bassist Horace Panter dabei. Kein Neville Staple als zweiter Sänger also, kein Jerry Dammers - der Keyboarder und Songschreiber blieb im Streit außen vor. Was die drei aktuellen Specials-Männer zusammen mit einer größeren Schar Gastmusiker auf "Encore" noch hinbekommen, ist gleichwohl mehr als respektabel.

Stilvoll und mit staunenswerter Spielfreude fusionieren sie auf der bei Universal erschienenen Platte in zehn Songs - überwiegend neues Material, aber auch einige Coverversionen - wieder Ska, Reggae, Pop und Bläser-Soul. Als wären sie nie weg gewesen, und doch mit brandaktueller Dringlichkeit.

So passt das Anti-Rassismus-Stück "Black Skin Blue Eyed Boys" - im Original 1968 von The Equals - perfekt in eine Zeit, die nicht nur in Großbritannien und den USA von Abschottung und Diskriminierung geprägt ist. Aus der Wahl dieses Openers spreche "die vielleicht idealistische und naive Hoffnung, dass die Menschheit irgendwann einmal über Farben hinwegsehen wird", sagte Hall im Interview des Online-Musikmagazins "laut.de". Und er fügte hinzu: "Innerhalb der Band betrachten wir uns schließlich auch nicht als Schwarze und Weiße, sondern als Menschen."

Mit Liedern wie "Too Much Too Young" oder "Ghost Town", später mit "Racist Friend" und dem Anti-Apartheid-Welthit "Nelson Mandela" (in der Nachfolge-Version The Special A.K.A.) war diese Band stets dezidiert sozialkritisch, anti-rassistisch, links. Und sie hat bei ihrer Rückkehr den Furor nicht an der Studio-Garderobentür abgegeben.

Beispielsweise "Vote For Me", die erste Specials-Single seit einer gefühlten Ewigkeit - es geht um den Zynismus vieler Politiker. "Sie denken, nur weil sie gerade eine Agenda haben, müssen wir ihr folgen. Doch am Ende lassen dich Politiker meistens im Stich", sagte Hall (59), der nach den Specials-Jahren auch mit Fun Boy Three und The Colourfield einigen Erfolg hatte, in dem Interview.

Ein wichtiger Grund, endlich mal wieder frische Specials-Stücke zu verfassen, waren neben der politischen Großwetterlage im UK auch konkrete Konzertpläne. "Es steht eine neue Tournee an, da wollten wir ein paar neue Lieder haben", sagte Bassist Horace Panter dem "Musikexpress". Diese Tournee führt die nach wie vor mitreißende Live-Band The Specials auch nach Deutschland - und das könnte kompliziert werden.

"Es ist eigentlich nicht lustig, aber unser allererster Auftritt der Tour ist in Köln und findet genau an dem Tag statt, an dem England offiziell nicht mehr Teil von Europa ist", sagte Hall mit Blick auf einen möglicherweise chaotischen Brexit Ende März. "Ich habe keine Ahnung, welche Auswirkungen die Sache auf uns haben wird. Aber mit dieser Ahnungslosigkeit sind wir ja bekanntlich nicht allein - was die Lächerlichkeit des ganzen Szenarios schön zusammenfasst."

Deutschland-Konzerte von The Specials: 29.03. Köln, E-Werk, 02.04. Hamburg, Große Freiheit 36, 03.04. Berlin, Columbiahalle.

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