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Sanfte Lieder Triumph der Altersweisheit: Paul Wellers "True Meanings"

Die vergangenen zehn Jahre des großen Britpop-Songwriters Paul Weller waren nervös und kreativ zugleich. Mit seinem 60. Geburtstag kehrt nun friedvolle Gelassenheit bei ihm ein. Das Album "True Meanings" ist ein neuer Höhepunkt seiner langen Karriere.

Von Werner Herpell, dpa 18.09.2018, 06:00

Berlin (dpa) - Ein Mann, eine Klampfe und ein Klavier zu später Stunde auf dem platten Land - so darf man sich den Ursprung der Songs von Paul Wellers aktueller Platte vorstellen.

Himmlische Ruhe liegt über den 14 neuen Liedern des "Godfather of Britpop", der als zorniger Mod einst mit The Jam zu den Punk-Pionieren gehörte und danach mit The Style Council den gepflegten weißen Brit-Soul prägte.

Der in seinen Fünfzigern als Solist oft hibbelig die Stilrichtungen wechselnde Weller hat ein sehr besinnliches Album gemacht. Und auch das steht ihm gut. Mehr noch: "True Meanings" (Parlophone/Warner) hat eine selbst für diesen Musiker außergewöhnliche Klasse. Man fühlt sich an die großen Singer-Songwriter-Werke von Nick Drake, Tim Hardin, John Martyn oder Neil Young erinnert, wenn Weller mit so sensibler wie kraftvoller Stimme ganz entspannt zur Gitarre seine altersweisen Verse singt.

Einige Streicher und Bläser, etwas Orgel (von Rod Argent/The Zombies), ein sanft ploppender Bass (vom legendären Folk-Veteranen Danny Thompson), getupftes Schlagzeug - mehr braucht es nicht, und oft noch nicht einmal das. Die friedvolle englische Landschaft von Surrey, in der diese Stücke entstanden, hat Weller und seine Musiker zu 55 Minuten stiller Pracht inspiriert, die sie aus Akustik-Folk, Torch-Songs und britischem Blues destillieren.

"Ich dachte, dass ich jetzt mit 60 wohl im richtigen Alter für ein solches Album bin", sagte der "Modfather" dem Musikmagazin "Mojo". Deshalb habe er - angefangen mit dem nachdenklichen Track "Gravity" - über Jahre sanfte Lieder zur Seite gelegt, um daraus irgendwann eine akustische Platte aus einem Guss zu formen: "True Meanings" eben, sein 14. Soloalbum.

Interessanterweise ließ das nicht immer ganz unkomplizierte Alpha-Tier diesmal auch andere Songwriter mitmachen: den hochbegabten Iren Conor O'Brien (Villagers) beim Opener "The Soul Searchers", einem der allerbesten Lieder aus Wellers rastlos kreativen späteren Jahren überhaupt; und Erland Cooper (Erland & The Carnival), der sich bei "Bowie" (na klar, auch eine Hommage an den 2016 gestorbenen "Thin White Duke"), "Wishing Well" und dem majestätischen Closer "White Horses" verewigen durfte.

"Ich bin niemals zu stolz, einen Song an jemand anderen zu geben und zu schauen, um was sie ihn bereichern könnten", sagte Weller jetzt etwas überraschend zu seiner Kooperationsbereitschaft und fügte hinzu: "Je älter du wirst und je mehr Sachen du gemacht hast, desto wichtiger ist das."

Überraschend ist in der Tat so einiges an "True Meanings": die Milde des einstigen Wüterichs; seine Abkehr von erfolgreichen, aber auch anstrengenden Soul-, Rock- und Jazz-Erkundungen wie "22 Dreams" (2008), "Sonik Kicks" (2012) oder "Saturns Pattern" (2015); viele kleine Details wie etwa die Bacharach-Trompete auf "What Would He Say?" und die George-Harrison-Sitar von "Books"; die berührende Sentimentalität von "May Love Travel With You" - an Wellers zahlreiche Kinder gerichtet und den späten Beatles sehr, sehr nah.

Überhaupt finden sich auf diesem 14. Solo-Studioalbum etliche solcher Mitternachtsballaden - zurückgenommener und zärtlicher klang Weller nie. Die melancholisch verschattete Grundstimmung hatte aber nicht nur mit seinem fortschreitenden Alter zu tun, sondern teilweise ganz profane Gründe: Der späte Abend sei "die einzige Zeit, in der ich in Ruhe schreiben kann - wenn alle anderen im Bett sind", sagte Weller, der erst kürzlich noch einmal Vater zweier Söhne wurde, dem "Mojo".

Fazit: "True Meanings" ist - auch wenn Paul Weller von einem "one-off album" spricht und demnächst wieder wuchtigere Platten folgen dürften - der grandiose Beginn eines hoffentlich ebenso grandiosen Spätwerks dieser britischen Songwriter-Ikone.

Website Paul Weller

Lable-Website