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Jazz-Highlights Winter-Blues ade: "Mare Nostrum III" und Mark Lockheart

Der Januar ist für viele Menschen ein Monat, der depressiv macht - Stichwort "Winter-Blues". Zum Glück sind in dieser Zeit bereits zwei neue Jazz-Produktionen erschienen, die glücklich machen können und durch den Winter tragen.

Von Werner Herpell, dpa 09.02.2019, 05:00

Berlin (dpa) - Das Freundes-Trio Fresu/Galliano/Lundgren und der britische Tenorsaxofonist Mark Lockheart haben nicht allzu viel gemeinsam - außer dass sie seit langem hochwertige, stilistisch nicht klar abgrenzbare Jazz-Alben aufnehmen. In diesem Januar haben sie für zwei erste Highlights 2019 des Genres gesorgt.

"Mare Nostrum III" (ACT) heißt die neue Platte von Paolo Fresu (Trompete/Flügelhorn), Richard Galliano (Akkordeon, Bandoneon, Akkordina) und Jan Lundgren (Piano). Der Titel kündigt es an: Es ist das dritte Ensemble-Album der drei großartigen Einzelkönner (alle mit reichlich Werken unter eigenem Namen im Katalog) nach dem bahnbrechenden "Mare Nostrum" von 2007 und dem ebenso tollen "Mare Nostrum II" von 2016.

Fans dieser Zusammenarbeit für einen europäischen Jazz-Crossover werden sich also freuen (und wohl hoffen, dass hier nicht aller guten Dinge drei sind, es also noch weitere Alben von Fresu/Galliano/Lundgren geben wird). Tatsächlich schließt sich aber mit der Abrundung der "Mare Nostrum"-Trilogie ein Kreis: Das dritte gemeinsame Album wurde in Lundgrens Heimat Schweden eingespielt, nach dem Debüt in Fresus Italien und dem Nachfolger vor drei Jahren in Gallianos Frankreich.

Das Rezept ist bekannt und doch wieder schön. Eigenkompositionen aller drei Musiker treffen auf Bekanntes und Standards - diesmal eine prachtvolle Interpretation von "The Windmills Of Your Mind", dem Welthit des kürzlich gestorbenen französischen Komponisten Michel Legrand, und "Love Theme From 'The Getaway'" von Quincy Jones. Jazz-Improvisation, Folklore, Blues, französische Musette, Balladen und Klavierwalzer werden zu einer meist melancholischen, stets betörenden Melange verrührt. Es darf also gern irgendwann mit "Mare Nostrum IV" weitergehen.

"Days On Earth" (Edition Records) vom Briten Mark Lockheart ist nicht weniger ambitioniert als die recht reduzierte Trio-Musik der überzeugten Europäer. In sieben bis zu zehn Minuten langen Tracks fährt der 57-Jährige indes ganz groß auf - mit einer fünfköpfigen Begleitband (Altsaxofon, Piano, Gitarre, Bass, Schlagzeug) und 30-köpfigem Orchester.

"Am Tag, als wir die Aufnahmen zu 'Days On Earth' begannen, am 13. Dezember 2017, war ich 20.711 Tage auf der Erde", sagt Lockheart zum Albumtitel. "In dieser Platte kulminieren viele der Erfahrungen in den zwei Milliarden Sekunden, in denen ich gegessen, geschlafen, nachgedacht, Musik gespielt und komponiert habe. Musik ist tief verbunden mit Leben, Liebe und Freude."

Als Einflüsse für seinen Sound nennt Lockheart unter anderem Duke Ellington, Gil Evans, Burt Bacharach, John Adams und John Zorn - eine bunte Mischung aus Jazz-Tradition und Avantgarde, Pop und noch einigem mehr. Aufgenommen wurde das Album in Mark Knopflers formidablem British Grove Studio. Das Orchester wurde vom Hollywood-erfahrenen John Ashton Thomas geleitet.

Zwanzig Jahre nach Lockhearts Debüt unter eigenem Namen ist "Days On Earth" also spürbar als Karriere-Highlight angelegt. Und der Plan geht auf. Schon der Opener "A View From Above" begeistert mit einer mühelosen Verbindung von Improvisation (in Lockhearts tollem Sax-Solo) und sinfonischer Grandezza. Dem kurzen "Brave World" folgen mit dem mächtig groovenden "This Much I Know Is True" und dem Latin-Stomper "Party Animal" zwei Höhepunkte des Albums.

"Days On Earth" bleibt freilich über insgesamt gut 50 Minuten ein spannendes, hoch inspiriertes, in der Tradition von Miles Davis/Gil Evans stehendes Jazzalbum (auch wenn in "Believers" eine deftige Bluesrock-Gitarre auftaucht). Mark Lockheart hat sein angestrebtes Meisterwerk verwirklicht.

Mare Nostrum III

Website Mark Lockheart

Mark Lockheart hat mit «Days On Earth» ein Meisterwerk vorgelegt. Foto: Dave Stapleton
Mark Lockheart hat mit «Days On Earth» ein Meisterwerk vorgelegt. Foto: Dave Stapleton
dpa