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10. Todestag Jazz-Star Nils Landgren: "Esbjörn war eine freie Seele"

"Esbjörn war eine freie Seele", sagt der schwedische Jazz-Posaunist Nils Landgren (62) über seinen vor zehn Jahren gestorbenen Landsmann und Freund Esbjörn Svensson. Erinnerungen an einen großen Musiker im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Von Werner Herpell, dpa 11.06.2018, 04:00

Berlin (dpa) - Wie zahllose andere Jazz-Fans auf der ganzen Welt trauert auch Nils Landgren am 14. Juni, dem Todestag von Esbjörn Svensson. Der berühmte schwedische Posaunist (Spitzname: "Mister Red Horn") war ein enger Freund des einflussreichen Pianisten, der vor zehn Jahren bei einem Tauchunfall ums Leben kam.

Die Deutsche Presse-Agentur in Berlin unterhielt sich mit Landgren (62) über seinen Landsmann, der den Jazz bis zu seinem frühen Tod mit nur 44 Jahren revolutionierte.

Frage: Sie haben gemeinsame Platten mit Esbjörn Svensson gemacht, Sie kannten ihn also als Musiker - aber auch als Freund. Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Landgren: "Esbjörn war eine freie Seele. Kreativ, harmonisch und freundlich, mit Integrität - und er wusste genau, was er wollte. Auf eine Art und Weise ein Genie, aber mit sozialen Fähigkeiten, die für seine Musik, seine Familie und seine Karriere notwendig waren."

Frage: Auf welcher jazzgeschichtlichen Basis agierte Esbjörn Svensson als Pianist und mit seinem Trio, welche Musiker dienten ihm als Bezugspunkte und Vorbilder? Oft genannt werden ja Thelonius Monk, Bill Evans oder Keith Jarrett.

Landgren: "Er hatte sicher viele Vorbilder, aber ich bin der Meinung, dass Esbjörn selbst sein bestes Vorbild gewesen ist. Er hatte alles in sich. Alles."

Frage: Welche Bezüge nahm Svensson aus Pop, Rock und moderner elektronischer Musik?

Landgren: "Esbjörn und die Jungs haben sich ja selber als eine Rockband, die Jazz spielt, kategorisiert. Es ging aber weit darüber hinaus. Sie haben sich von allen Genres beeinflussen lassen und aus diesen ihre eigene Musik kreiert."

Frage: Wen hat Svensson selbst beeinflusst? Es gibt ja inzwischen viele junge europäische Piano-Jazz-Künstler, etwa GoGo Penguin, Tingvall Trio, Michael Wollny.

Landgren: "Ohne Zweifel haben Esbjörn und e.s.t. den heutigen Jazz revolutioniert. Ohne ihre Musik würde keine einzige von der genannten Bands oder Musikern so spielen, wie sie spielen. Aber natürlich sieht man auch eigene Entwicklungen bei all diesen Pianisten, ihre Leistungen sollen nicht unterschätzt werden."

Frage: Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie tief sitzt bei Ihnen der Schmerz über den Verlust dieses Freundes heute noch? Haben Sie Kontakt zur Familie Svensson und zu den e.s.t.-Kollegen Magnus Öström und Dan Berglund?

Landgren: "Mein Schmerz sitzt sehr tief, und er bleibt. Magnus Öström rief mich an und überbrachte mir die Nachricht: Esbjörn ist tot. Es war nicht zu verstehen. Esbjörn und ich hatten vorher beide versucht, uns gegenzeitig zu erreichen, weil wir über ein neues Projekt reden wollten. Wir hatten ja zu dem Zeitpunkt schon zwei, meiner Meinung nach wunderschöne Duo-Platten aufgenommen, "Swedish Folk Modern" und "Layers Of Light". Und die Idee war, noch ein gemeinsames Projekt auf die Beine zu stellen. Jetzt werde ich nie wieder seine Stimme hören oder sein lächelndes Gesicht sehen. Nie wieder.

Ich sah Esbjörn und seine Familie als enge Freunde, mit seiner Frau Eva und den Söhnen Ruben und Noah, die übrigens beide tolle Musiker sind, haben ich und meine Frau Beatrice bis heute einen sehr guten Kontakt. Dan Berglund und Magnus Öström sind Freunde geblieben, auch wenn wir uns nicht mehr so oft treffen.

Esbjörn ist nicht mehr bei uns, aber wir sind immer noch enge Freunde. Das muss ich erklären.

Esbjörn und ich haben eine sehr lange Beziehung hinter uns. Er hat mich bei seinen Konzerten in Stockholm oft als Gast eingeladen, danach ist er zum festen Mitglied meiner 'Funk Unit' geworden. Als wir unser erstes Album für ACT aufgenommen haben, war uns, allen voran Label-Chef Siggi Loch, klar, dass Esbjörn der neue Star am Piano war.

Ich bin sehr stolz darauf, dass er mit der 'Funk Unit' seine internationale Karriere anfangen durfte. Als er mit der 'Funk Unit' auf Tour war, sind wir beide oft morgens spazieren gegangen, als der Rest der Band noch schlief. Wir haben über alles zwischen Himmel und Erde gesprochen. Ein Art von Therapie, würde ich sagen. Und auch heute, wenn ich einen Rat brauche, frage ich Esbjörn. Ich kriege zwar keine direkte Antwort, aber ich weiß, was er antworten würde, wenn er noch am Leben wäre - und das hilft.

Solange Esbjörn Svensson in Erinnerung bleibt, lebt er. Lange."

Website e.s.t.

Label-Website

Website Nils Landgren

Für den schwedischen Jazz-Pianisten Esbjörn Svensson gab es keine musikalischen Grenzen. Foto: Scanpix Henriksson/EPA
Für den schwedischen Jazz-Pianisten Esbjörn Svensson gab es keine musikalischen Grenzen. Foto: Scanpix Henriksson/EPA
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