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Neues Album, neue Biografie Rebell und Poet: Konstantin Wecker wird 70

Konstantin Wecker: Rebell, Schreck des Bürgertums. Poet, Lyriker und ein bisschen auch Mystiker. Jetzt wird er 70. Auch wenn er sich nicht groß etwas vornimmt, hat er doch eine Menge vor.

Von Sabine Dobel, dpa 31.05.2017, 22:59
Konzertreigen zum 70. Geburtstag: Konstantin Wecker. Foto: Lino Mirgeler
Konzertreigen zum 70. Geburtstag: Konstantin Wecker. Foto: Lino Mirgeler dpa

München (dpa) - Einen Herdplattenanfasser nennt er sich selbst - weil er immer alles ausprobieren muss. Und einen Flussmenschen. Weil er in München an der Isar aufgewachsen ist, deren stetes Strömen ihn als Kind inspirierte.

Am 1. Juni wird der Liedermacher Kontantin Wecker 70 Jahre alt. Es wird auf jeden Fall ein anstrengender Geburtstag. Mit einem Konzert im Circus Krone, seinem "Heimspielort", feiert er mit Fans, Freunden und Familie ins neue Lebensjahr. Am Abend steht er gleich nochmal auf der Bühne, und am Tag danach auch.

Schon vor dem Runden ist er in eine Mega-Jubiläumstournee gestartet, mit 50 Auftritten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sein Wunsch zum Geburtstag: "Dass meine Stimme bei den Konzerten durchhält. Toitoitoi." Schließlich sind Wecker-Konzerte nicht nach eineinhalb Stunden vorbei - sondern dauern doppelt so lange. Trainiert habe er nicht: "Das Programm bringt mich in Form."

Er stellt sein neues Album vor, dessen Titel in drei Worten sein Leben charakterisiert: "Poesie und Widerstand." Der Titel sei Programm, sagt er. "Was hat Poesie mit Widerstand zu tun? Die Poesie ist schon Widerstand." Zeitlebens hat er sich gegen Krieg und rechte Umtriebe engagiert. "Lasst uns das Bunte bewahren", mahnt er.

Wecker heimste viele Preise ein, darunter die Medaille "München leuchtet", den Kurt-Tucholsky-Preis und mit Eugen Drewermann den Erich-Fromm-Preis. An die 600 Lieder, Filmmusiken und Musicals hat er geschrieben. Daraus hat er für das neue Album ausgewählt, Songs neu eingespielt und interpretiert. "Was genau anders ist, kann ich selbst nicht sagen." Vielleicht klingen die Lieder etwas klarer, weicher. Er sehe mit dem Alter vieles milder - und zärtlicher, sagt er über sich.

Er gilt als Rebell, Schreck des Bürgertums, Anarchist, Poet, Lyriker - und er gefällt sich auch ein bisschen als Philosoph. "Das Leben jedes einzelnen Menschen ist ein Unikat wie jeder Wassertropfen anders ist als der andere", sagt er. Jedes Leben sei spannend genug für eine Biografie - wenngleich doch eher die der Prominenten gelesen würden.

Er selbst hat zu seinem "Jubiläum" gleich eine neue Biografie herausgebracht, die dritte: "Das ganze schrecklich schöne Leben". Ausgespart haben er und seine beiden Ko-Autoren und Weggefährten nichts, weder Kokainsucht noch Auftritte in Sexfilmchen der 70er Jahre wie "Unterm Dirndl wird gejodelt".

Nach abgebrochenen Studien der Philosophie und Psychologie und dem Zwischenspiel in jenen Sexfilmchen widmete sich Wecker der Musik. Er trat in der Lach- und Schießgesellschaft auf und feierte Erfolge mit "Weckerleuchten" und der Ballade "Willy" über den Tod eines Freundes bei einer Kneipenschlägerei mit Rechtsextremen.

Sein Weg ging nicht über Rock oder Folk, sondern über die Oper. "Ich bin von der Klassik geprägt, ich bin von der Oper geprägt, auch wenn ich gern mal einen Blues spiele", sagt er. "In den 1980er Jahren, als der Punk aufkam, war ich mit einem Klassikorchester unterwegs."

Als Sohn eines Opernsängers lernte er früh Klavier, Geige und Gitarre, sang mit dem Vater im Wohnzimmer Arien. Musiklehrer rühmten seine Stimme beim "Ave Maria". Richtig bürgerlich war Weckers Elternhaus aber nicht. Der Vater habe seinen Einberufungsbefehl einfach zerrissen. Er sei bei den Nazis nicht beim Militär gewesen, sein Sohn werde auch nicht zum Militär gehen. Der Vater habe ihn gelehrt, ungehorsam zu sein, schreibt Wecker. Die Mutter: Stark und immer für ihn da. Eine behütete, glückliche Kindheit.

Trotzdem riss Wecker früh von zuhause aus. Mit etwa 20 landete er im Knast - weil er die Kasse der Trabrennbahn geklaut und das Geld verprasst hatte - unter anderem mit "dreimal täglich Bratwurst". Dann kamen die Drogen. Wecker kokste, bis er in den 1990er Jahren verhaftet und zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde.

Weitreichende Zukunftspläne hat Wecker nicht. "Ich habe mir seit Jahren abgewöhnt, mir groß etwas vorzunehmen", sagt er. "Mein Schicksal war immer klüger als ich." Dennoch hat er einen vollen Terminplan, sein Einsatz gegen Rechts ist ungebrochen. Kunst könne ermutigen. "Und diese Ermutigung, hoffe ich, dass sie mir noch eine Zeit lang gelingen wird."

Website Konstantin Wecker