Aufgespießt: Russland ächtet Schimpfwort-Kult Fluchen verboten

08.07.2014, 01:32

Moskau (dpa/egw). Schimpfkanonaden und Flüche können auf Russisch nicht nur verletzend, sondern sogar kultig sein. Als "Mat" (Mutterflüche) bezeichnen die Russen ihre obszöne Sprache. "Eto piz dets" (Alles im Arsch) oder "Po´shyol na hui" (Verpiss dich) - was in der deutschen Übersetzung gerade noch durchgeht, klingt im Russischen extrem vulgär, so eine russiche Kollegin.

Seit dem 1. Juli ist das öffentliche Fluchen im Fernsehen und in Filmen, in Literatur und auf Theaterbühnen per Gesetz verboten. Und schon gibt es Streit im Riesenreich. Sogar Intellektuelle warnen davor, dass ein Kulturgut aussterben könnte.

Der eigentlich kremltreue Regisseur und Präsident des Filmemacherverbandes, Nikita Michalkow, fordert eine Korrektur des Gesetzes. "Mat ist eine der größten Errungenschaften des russischen Volkes", sagt der Oscar-Preisträger ("Die Sonne, die uns täuscht", 1994). "Mat als Mittel, den Extremzustand eines Menschen auszudrücken - wenn es um Krieg, Tod und Schmerz geht - ist gerechtfertigt."

Zwar wird in synchronisierten Fassungen von ausländischen Filmen schon traditionell in Russland das Fluchen weggelassen, nicht aber in russischen. Obwohl Milieustudien aus russischen Dörfern ohne "Mat" kaum lebensecht wirken, wollen sich viele Künstler an das "Gesetz zum Verbot nicht normativer Lexik" halten. Denn anderenfalls drohen zum Beispiel für das Zeigen eines Filmes mit Flüchen bis zu 100.000 Rubel (rund 2100 Euro) Strafe.

So lässt etwa die für ihre knallharten Sozialdramen bekannte Filmemacherin Walerija Gaj Germanika ihren zuletzt mit mehreren Preisen gekürten Streifen neu vertonen. Nur so kann die Geschichte mit viel Gossensprache um die Wodkaexzesse eines Künstlers und seine Beziehung mit einer Lehrerin in den Verkauf gehen.

Russlands Sprachreiniger haben längst neue Ziele vor Augen. Ein ultranationalistischer Abgeordneter hat einen Gesetzesvorschlag in das Parlament eingebracht, wonach ausländische Wörter verboten werden sollen, wenn es dafür auch einen russischen Ausdruck gibt.