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Vor 35 Jahren startete DDR-Bürger Sigmund Jähn als erster Deutscher in den Weltraum Heldentum ist anstrengender als Reise ins All

26.08.2013, 01:21

Magdeburg I Eine Meldung der "Aktuellen Kamera" machte die kleine DDR am 26. August 1978 vorübergehend zur Großmacht. Denn mit dem Flug von Sigmund Jähn ins All gehörte der Arbeiter- und Bauernstaat fortan zu den Raumfahrernationen. Tagelang gab es in den hiesigen Nachrichtensendungen und Zeitungen kein anderes Thema. Während sich die Erde überall weiterdrehte, sonnte sich die DDR in neuem Glanz. Natürlich ging es auch um Prestige. Der Wettlauf zwischen Ost und West um die Vorherrschaft im Kosmos lief schon seit dem Start des ersten Sputniks 1957 auf vollen Touren. Dass der erste Deutsche im All aus der DDR stammte, wurde hier mit Stolz empfunden und ausgiebig gefeiert.

Etwa acht Tage umkreiste Jähn die Erde, sein Heimatort Morgenröthe-Rautenkranz war für diese Zeit so etwas wie der Mittelpunkt des Universums - zumindest für eingefleischte Fans. Als er wieder landete, besaß der damals 41-Jährige Heldenstatus. Tatsächlich wurde ihm das auch offiziell bescheinigt: Jähn wurde zum Helden der DDR und der Sowjetunion ernannt - zwei Länder, die es so nicht mehr gibt. Dafür blieb sein Ruhm. "Das war sensationell. Als er dann im Herbst aus der Sowjetunion zurückkam, gab es hier ein Volksfest. Die Leute gingen von allein auf die Straße, da musste keiner überredet werden", erinnert sich Karin Schädlich, Mitarbeiterin der Deutschen Raumfahrt- ausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz.

Der damals 41-Jährige besaß Heldenstatus

Vor Jähn waren 1978 schon zwei Kosmonauten aus Tschechien und Polen gemeinsam mit sowjetischen Kollegen an den Start gegangen. Noch heute wird darüber spekuliert, ob die Sowjets so an wissenschaftliche Erkenntnisse ihrer Bruderländer herankommen wollten oder ob es nur um finanzielle Gründe ging. Andreas Schütz, Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, vergleicht das Programm mit der internationalen Raumstation ISS. Solche großen und technisch anspruchsvollen Projekte könne keiner mehr allein finanzieren.

Im Fall der DDR war das vor allem die Multispektralkamera MKF 6. Sie galt seinerzeit als bestes "Weltraum-Auge". "Sie war technologisch und auch im Rückblick State of the Art", sagt Schütz. Mit ihr habe Jähn die Erde beobachtet und das später mit seinem Kollegen Karl-Heinz Marek zum Thema einer Doktorarbeit gemacht. Das Raumschiff mit Jähn und seinem sowjetischen Partner Waleri Bykowski dockte damals an die Weltraumstation Saljut 6 an. Zusammen mit deren Stammbesatzung führten sie jeden Tag Experimente durch. Jähn speziell kümmerte sich um raumfahrtmedizinische Forschung: Wie reagiert der menschliche Organismus unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit? Auch das Gleichgewicht und Ohr- und Sehtests spielten eine Rolle.Jähn informierte seine Landsleute über den Alltag an Bord und was er beim Blick durch das Bullauge der Station sah. So konnten die DDR-Bürger erfahren, wie Korallenriffe im Stillen Ozean und der Mount Everest von oben aussahen.

Bei der Landung ging nicht alles glatt

Ein Ausspruch Jähns wurde später zum Klassiker: "Schon vor meinem Flug war mir bewusst, wie klein und verletzbar unser Planet ist. Aber erst, als ich ihn vom Weltraum aus sah, in all seiner unglaublichen Schönheit und Zartheit, erkannte ich: Die dringendste Aufgabe der Menschheit besteht darin, für die Erde liebevoll zu sorgen und sie künftigen Generationen zu bewahren."

Als Jähn zurück auf der Erde war, wurde der Trubel für den zurückhaltenden Mann zur Herausforderung. "Im Rampenlicht zu stehen, fand ich anstrengender als den Raumflug selber", sagte er 2011 "Spiegel Online". Darin machte er auch öffentlich, dass bei der Landung seinerzeit nicht alles glattging. Der Fallschirm der Landekapsel sollte kurz vor dem Aufprall weggesprengt werden, doch das Manöver misslang. Ein Windstoß erfasste den Schirm und ließ die Kapsel über den Steppenboden Kasachstans schrammen. Im Inneren überschlugen sich die Kosmonauten mehrfach. Rückenschmerzen gehörten seither zu Jähns Leben.

Nach der Wende betreute er deutsche Astronauten im Sternenstädtchen bei Moskau. Heute ist der 76-Jährige vor allem Opa für die Enkel. (dpa)