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Gastbeitrag Renzsch: Bildung und Wissenschaft sind die Sparschweine der Nation

Von Wolfgang Renzsch 04.06.2014, 06:08

Es gehört schon fast zum Alltag: Universitätsangehörige und Studenten, vielfach auch Schüler und Lehrer sind auf der Straße und protestieren gegen Kürzungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Dieses nicht nur in Magdeburg oder Halle, sondern in nahezu allen Ländern der Bundesrepublik: Sachsen-Anhalt ist - leider - keine Ausnahme in dieser Misere.

Damit stellt sich die Frage, warum trotz aller Bekundungen zur Stärkung von Bildung und Wissenschaft in politischen Sonntagsreden von Montag bis Freitag gekürzt wird. Zwei zen-trale Gründe lassen sich ausmachen. Zum einen ist es die Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern, zum anderen sind es negative Anreize in den Ländern selbst.

Das Grundgesetz weist dem Bundesgesetzgeber - Bundestag und Bundesrat - den größten Teil der Gesetzgebung, darunter auch die Steuergesetzgebung, zu. Die Gesetze des Bundes werden von den Ländern ausgeführt und auch zu einem großen Teil bezahlt. Der Bundesgesetzgeber bestimmt damit die Einnahmen der Länder vollständig und deren Ausgaben in großem Umfang. Die Gesetzgebung der Länder beschränkt sich im Wesentlichen auf Bildung und Wissenschaft (Schulen und Hochschulen), innere Sicherheit (Polizei) und die Gemeindeangelegenheiten. Steht ein Land nun unter finanziellem Druck, was eher die Regel als die Ausnahme ist, dann kann es nicht die Ausgaben für bundesgesetzlich festgelegte Aufgaben kürzen - das könnte nur der Bundesgesetzgeber -, sondern nur die, die der eigenen Gesetzgebung unterliegen, also im Bereich der Bildung, der Polizei und der Gemeindeaufgaben. In Sachsen-Anhalt leiden diese drei Bereiche unter dem Finanzdruck. Die Lage in den finanzschwachen nord- und ostdeutschen Ländern gegenüber den süddeutschen verschärft sich noch durch die höhere Belastung mit Sozialkosten. Zudem haben die süddeutschen Länder eine bessere Finanzausstattung.

Bildung und Wissenschaft werden aber nicht nur durch die Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern benachteiligt, vielmehr ist auch für die Länder nicht attraktiv, in Studienplätze zu investieren. Es rechnet sich einfach nicht.

Warum? Ein Student in Sachsen-Anhalt kostet das Land etwa 10000 Euro pro Jahr. Das ist im Vergleich nicht mehr als in anderen Ländern. Dem stehen Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich gegenüber. Jeder Student, jeder Bürger, der in Sachsen-Anhalt mit seinem ersten Wohnsitz gemeldet ist, bringt dem Land derzeit etwa 3500 bis 4000 Euro jährlich ein. Diejenigen Studierenden, die ihren Wohnsitz nicht im Land haben - und das sind viele -, bringen hingegen keine Einnahmen, sondern kosten nur.

Wenn noch dazukommt, dass ein Land weit über seinen Bedarf ausbildet - Sachsen-Anhalt "exportiert" im Saldo etwa 20 Prozent seiner Hochschulabsolventen, Bayern und Baden-Württemberg sind hingegen die "Hauptimporteure" andernorts ausgebildeter junger Menschen - dann stellt sich insbesondere für den Finanzminister die Frage, warum er Geld des Steuerzahlers aus Sachsen-Anhalt dafür ausgeben soll, dass künftige Steuerzahler für Bayern oder Baden-Württemberg ausgebildet werden.

Was muss geschehen? Bis zum Ende des Jahres 2019 müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geregelt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt, dieses schon in der laufenden Wahlperiode bis 2017 zu erreichen. Ein Thema dieser Reform sollte auch die Finanzierung von Bildung und Wissenschaft sein. Es gibt auch ein gutes Bespiel dafür, wie es besser geht, nämlich die Finanzierung der außeruniversitären Forschungsinstitute. Diese - z.B. die Max-Planck-Institute, Fraunhofer-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft, wir haben sie auch in Sachsen-Anhalt - werden zur Hälfte bis 90 Prozent vom Bund mitfinanziert. Das Ergebnis ist, dass wissenschaftliche Exzellenz eher in diesen im Vergleich zu den Hochschulen gut ausgestatteten Instituten als den Universitäten zu finden ist.

Gelänge es nun, eine anteilige Grundfinanzierung der Hochschulen durch den Bund zu schaffen, würden die negativen Anreize, die heute Bildung und Wissenschaft zu den Sparschweinen der Nation werden lassen, beseitigt. Es wäre interessant für die Länder, mehr in Hochschulen zu investieren, wenn sie durch eine Grundfinanzierung des Bundes kein Verlustgeschäft mehr wären.