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Gasversorgung Liebesgrüße aus Moskau

Von Steffen Honig 23.08.2014, 03:13

Moskau | Iwan Gratschow, Vorsitzender des Energie-Ausschusses der russischen Duma, hat seinen Urlaub unterbrochen. Er ist in die Zentrale der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti geeilt, um per Videoschaltung mit Experten und Journalisten in Berlin etwas klarzustellen. Dass Russland auch im kommenden Winter ein zuverlässiger Gaslieferant bleibt - und die Deutschen nicht frieren müssen.

"Russland und die EU sind weiter am Ausbau der Gaslieferungen interessiert", erklärt Gratschow. Alle Appelle, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, hätten nicht gefruchtet. Windenergie beispielsweise sei zehnmal so teuer wie Gas und komme daher als vollständiger Ersatz nicht in Frage. Der Parlamentarier stellt fest: "Russland hat alle Verträge stets stabil erfüllt." Trotz der politischen Eiszeit zwischen Russland und Europa sagt er: "Für den kommenden Winter bin ich optimistisch."

In Berlin pflichtet ihm Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur, bei: "Die Situation ist bisher entspannt, wir haben gut gefüllte Erdgasspeicher in Deutschland und Europa." Behrooz Abdolvand vom Studienzentrum für die kaspische Region der Freien Universität Berlin hebt hervor: "Russland war immer ein zuverlässiger Versorger. Die Abhängigkeiten sind gegenseitig."

Wichtige Europäer und gefährliche Amerikaner

Duma-Mann Gratschow in Moskau freut das. Er nimmt die warmen Worte aus Berlin zum Anlass, fröhlich einen Keil zwischen Europa, die USA und die Ukraine zu treiben. Deutschland und die EU-Staaten sind die wichtigen Partner, die Ukrainer treulos und die Amerikaner gefährlich.

Die im Fokus stehende kriegsbelastete Ukraine, die derzeit kein Gas aus Russland bekommt, werde den Winter nicht überstehen, wenn es nicht für Europa bestimmtes Gas abzapfe. Geld für neue Lieferungen habe das Land nicht. "Solange der Krieg andauert, wird auch keines da sein", folgert Gratschow.

Der neue Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, hat bereits reagiert: Er rationierte in der ukrainischen Hauptstadt das warme Wasser.

Gratschow erklärt, dass für eine dauerhafte Versorgungssicherheit ein belastbares Abkommen zwischen Russland, Ukraine und Deutschland nötig sei. Dies werde erschwert, wenn die Ukraine ihr Leitungssystem privatisiere und an US-Firmen verkaufe.

Zudem könnte neben der Nord-Stream-Pipeline durch die Ostsee der geplante neue Südstrang durch Bulgarien mögliche Transit-Probleme umgehen. Doch die Bulgaren haben gerade auf Druck der EU den Bau des Projekts gestoppt. Gratschow stuft das traditionell eng mit Russland verbundene Balkanland daher nun als ähnlich unzuverlässig ein wie die Ukraine.

Energieagentur-Chef Kohler erklärt beinahe beschwörend: "Wir müssen eine Strategie zusammen mit Russland finden und nicht Konflikte schüren." Er verweist auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der erklärt hat, dass die Ukraine-Krise nur gemeinsam zu lösen sei. Nach dem Gipfeltreffen zwischen Putin und seinem ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko in Minsk am kommenden Dienstag wird man schlauer sein.

Wenig Hoffnung auf Poroschenko

Gratschow lächelt vielsagend: "Meine Hoffnung ist aber nicht Poroschenko, sondern die europäische Wirtschaft!" Deren Interessen werden etliche EU-Kommissare in der weißrussischen Hauptstadt vertreten. Ökonomische Weichenstellungen kann es aber nur bei einem politischen Konsens geben.

In den vergangenen Monaten wurden als Ersatz für russische Rohstoffimporte Flüssiggaslieferungen aus den USA ins Spiel gebracht. Energieexperte Kohler hält das für abwegig: "Es fehlt die technische Basis." Einen Ausfall der Ukra-ine als Gas-Transitland will er sich jedenfalls lieber nicht vorstellen. Statt auf dem Weg zu größerer Unabhängigkeit von russischem Gas zu sein, würden die Lieferungen immer noch steigen. Kohler: "Europa kommt nicht ohne russisches Gas durch den Winter."