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Kontrollgremium setzt Sonderermittler zu Fall NSU ein

06.10.2014, 14:01
Der Grünen-Politiker Jerzy Montag soll als Sonderermittler Nachforschungen zu Ungereimtheiten im NSU-Fall anstellen. Foto: Robert Schlesinger
Der Grünen-Politiker Jerzy Montag soll als Sonderermittler Nachforschungen zu Ungereimtheiten im NSU-Fall anstellen. Foto: Robert Schlesinger dpa-Zentralbild

Berlin - Ein Sonderermittler des Parlamentarischen Kontrollgremiums soll den jüngsten Ungereimtheiten im Fall der rechten Terrorzelle NSU nachgehen.

Das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste beschloss am Montag in einer Sondersitzung, den früheren Grünen-Abgeordneten Jerzy Montag als Ermittlungsbeauftragten einzusetzen. Der langjährige Innen- und Rechtspolitiker soll Nachforschungen anstellen zu offenen Fragen rund um einen V-Mann des Verfassungsschutzes und um eine CD mit Hinweisen auf die Terrorgruppe. Das teilte der Vorsitzende des Gremiums, Clemens Binninger (CDU), nach den Beratungen mit.

Montag ist Jurist und saß bis 2013 für die Grünen im Bundestag. Binniger sagte, Montag habe sich bereiterklärt, die Aufgabe zu übernehmen. Die Details seines Auftrages seien noch festzulegen.

Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt - überwiegend an Menschen aus Zuwandererfamilien. Die Sicherheitsbehörden waren der Bande jahrelang nicht auf die Spur gekommen. Das Trio flog erst Ende 2011 auf.

Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seit 2005 eine CD in seinem Archiv hat, die in einer Datei das Kürzel "NSU/NSDAP" enthält. Ein V-Mann mit dem Decknamen "Corelli" hatte die CD im August 2005 an den Inlandsgeheimdienst übergeben. Der Bezug zum Fall NSU blieb jedoch über Jahre unentdeckt. Erst wegen eines aktuellen Ermittlungsverfahrens durchforstete die Behörde ihr Archiv und stieß Ende September auf die CD.

Das Bundesamt erklärte, diese enthalte eine umfangreiche Sammlung an Propagandamaterial. Allein der Ordner, in dem sich die Datei mit dem Kürzel "NSU/NSDAP" befinde, umfasse etwa 15 700 Dateien. Aus diesem Kürzel allein habe man damals aber nicht auf die Existenz eines rechtsterroristischen Trios schließen können.

Binninger sagte, der Verfassungsschutz habe den Hinweis auf der CD wohl nicht bewusst übersehen. Dennoch sei zu kritisieren, dass die Behörde solches Material nicht detailliert auswerte.
Auch werfe die Rolle des V-Mannes "Corelli" im Fall NSU noch einige Fragen auf. Deshalb solle nun ein Sonderermittler den Dingen auf den Grund gehen.


Der
Informant
"
Corelli
" war vor wenigen Monaten tot aufgefunden worden. Nach offiziellen Angaben starb er an Diabetes.


Der SPD-Politiker Burkhard Lischka sagte, angesichts des CD-Fundes stelle sich die Frage, was sonst noch in den Archiven beim Verfassungsschutz schlummere.

Nach Angaben des Linke-Abgeordneten André Hahn soll die Arbeit des Sonderermittlers möglichst bis zum ersten Quartal 2015 abgeschlossen sein. Dann sei zu entscheiden, ob ein weiterer Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall NSU nötig sei. Ein erstes Gremium dieser Art hatte das Ermittlungsdesaster bis zum Ende der vergangenen Wahlperiode aufgearbeitet.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte, seine Fraktion erwäge ernsthaft die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses. "Fragen und Rätsel gibt es dauernd neu."

Binninger sagte, noch sei es zu früh für eine solche Entscheidung. "An diesem Punkt sind wir noch nicht", betonte er, fügte aber hinzu: "Wir sind ihm vielleicht ein Stückchen nähergekommen."