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Sado-Maso-Bestseller Der Hype um "Fifty Shades of Grey"

Millionen verkaufte Bücher, Zigtausende vorbestellte Kinokarten, wissenschaftliche Abhandlungen - und ein Sexspielzeug-Boom. Die Sado-Maso-Bücher "Shades of Grey" sind ein Phänomen. Ein Soziologe meint aber: Wäre der Autor ein Mann, wäre es einfach nur ein Porno.

11.02.2015, 01:22

München (dpa) l Wer in diesen Tagen ein erotisches Geschenk für den Valentinstag sucht, der kann aus einer ganz besonderen Reihe wählen: der Produktserie "Fifty Shades of Grey". Da gibt es Peitschen, Fesseln, Handschellen oder Liebeskugeln. "Der Renner daraus waren zuletzt ein Glasdildo und ein vibrierender Penisring", sagt Susanne Gahr, Pressesprecherin des Erotikhändlers Orion.

Die Sex-Shop-Kette hat sich vorbereitet auf den Kinostart von "Fifty Shades of Grey", jener Trilogie von Autorin E.L. James, die Sado-Maso in den vergangenen Jahren salonfähig gemacht zu haben scheint. Am morgigen Donnerstag kommt die Verfilmung des Bestsellers über die unschuldige Studentin Anastasia Steel, die von dem erfolgreichen Unternehmer Christian Grey in die SM-Welt eingeführt wird, in die Kinos. Die Hauptrolle spielt Dakota Johnson, Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson.

Neun Millionen Mal wurden die Bücher in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Sie lösten auch einen Sexspielzeug-Boom aus. So verkaufte Orion nach eigenen Angaben deutlich mehr Peitschen und Fesseln; auch Liebeskugeln wurden zum Verkaufsschlager.

Die Kinokette CineStar, nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland, hat nun, eine Woche vor Kinostart, schon mehr als 80000 Karten verkauft. "Das ist schlicht sensationell und selbst bei Filmen wie `James Bond` oder bei der `Der Herr der Ringe`-Trilogie noch nicht vorgekommen", sagt CineStar-Geschäftsführer Oliver Fock.

Der Erfolg ist wohl vor allem ein gesellschaftliches Phänomen. Das Besondere: Kaum jemandem scheint es unangenehm zu sein, den Film in aller Öffentlichkeit anzuschauen oder das Buch gut sichtbar im Zug zu lesen. "Die Kunden gehen offen mit dieser Buchreihe um", teilt die Buchhandelskette Hugendubel in München mit, die "eine bunt gemischte Käufergruppe" sieht - "tendenziell mehr Frauen als Männer in der Altersgruppe von 20 bis 60 Jahren".

"Faszinierend ist an dem Phänomen, dass so etwas in der Öffentlichkeit gelesen wird", sagt auch der Soziologe Sven Lewandowski von der Uni Würzburg, Autor von "Die Pornographie der Gesellschaft. Beobachtung eines populärkulturellen Phänomens". Er erinnert sich an eine Situation im Zug, in der vier Frauen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft "Shades of Grey" lasen, während er selbst ein Buch von Alice Schwarzer aufgeschlagen hatte. "Es scheint etwas zu sein, wofür man sich nicht schämen muss. Man stelle sich mal vor, ich würde als Mann irgendein Pornoheft auspacken."

Lewandowski ist nicht der einzige Wissenschaftler, der sich mit dem sensationellen Erfolg der Sado-Maso-Trilogie auseinandergesetzt hat, der vergleichbar ist mit dem von "Harry Potter". Die israelische Soziologin Eva Illouz schrieb eine Abhandlung mit dem Titel "Die neue Liebesordnung: Frauen, Männer und Shades of Grey". Und Amy Bonomi, Professorin an der Michigan State University, hat sich in einer Studie mit den Leserinnen der Buchreihe befasst. Die Kurzfassung der Ergebnisse: Die durchschnittliche "Shades of Grey"-Leserin trinkt öfter mal einen über den Durst und hatte in ihrem Leben fünf oder mehr Sexpartner.

An eine durchschlagende gesellschaftliche Wirkung glaubt der Soziologe Lewandowski dagegen eher nicht. "Alle fünf bis zehn Jahre schreibt irgendeine Frau irgendein pornografisches Buch, und das wird dann gehyped nach dem Motto: was Frauen wirklich wollen", sagt er und nennt Skandalromane wie "Feuchtgebiete", "Das sexuelle Leben der Catherine M." oder "Geschichte der O" als Beispiele. Wäre der Autor von "Shades of Grey" ein Mann, so glaubt Lewandowski, würden die Bücher wahrscheinlich einfach nur als Pornos gelten.

Für ihn stellt sich noch eine ganz andere Frage: Die nach dem literarischen Geschmack so vieler Frauen. "Schundliteratur" nennt er die Romane - nicht wegen ihrer Thematik, sondern wegen ihrer literarischen Qualität. "Der Erfolg dieser Bücher ist ein Anzeichen für den Verfall des literarischen Geschmacks."