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Neues Gesetz Einwandern künftig nach Punkten

SPD-Politiker Burkhard Lischka erhofft von neuem Gesetz einen Sog auf Fachkräfte aus aller Welt.

21.02.2015, 01:25

Anfang März werden die SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl und ihr Magdeburger Kollege Burkhard Lischka die Eckpunkte für ein Gesetz vorlegen, das die Einwanderung nach Deutschland klarer regeln soll. Mit Lischka sprach Steffen Honig.

Volksstimme: Warum will die SPD ein Zuwanderungsgesetz schaffen?
Burkhard Lischka: Ich plädiere eher für den Begriff Einwanderungsgesetz, denn es geht um Menschen, die wir ganz bewusst in unser Land holen, weil wir sie brauchen. Zuwanderung ist dagegen etwas Unreguliertes und Zufälliges.

Gut, bleiben wir dabei. Warum ist ein solches Gesetz notwendig?
Die Entwicklung zwingt uns dazu, beim Thema Einwanderung Klartext zu reden. Uns werden bereits bis 2025 in Deutschland sechs Millionen Fachkräfte fehlen. Und das ist erst der Beginn einer dramatischen Entwicklung. Im Jahr 2050 wird ein Arbeitnehmer für die Altersversorgung von einem Rentner aufkommen müssen! Wohlstand und soziale Sicherungssysteme geraten in Gefahr. Wenn wir da nicht Konkurs anmelden wollen, müssen wir dafür sorgen, dass alle Jugendlichen einen Schulabschluss haben. Die 1,4 Millionen 25- bis 35-Jährigen, die keinen Schulabschluss haben, müssen nachqualifiziert werden. Das gilt auch für 1,5 Millionen Arbeitnehmer, die keinen Berufsabschluss haben. Zudem muss es Frauen, insbesondere Alleinerziehenden, erleichtert werden, einer Arbeit nachzugehen. Und schließlich brauchen wir Einwanderung nach einem modernen Recht, das eine Sogwirkung auf die Fleißigen und Tüchtigen in der Welt hat.

Dabei wird gern auf das Beispiel Nordamerika verwiesen ...
... wo es in den USA oder in Kanada ein Leitmotiv gibt, das da lautet: Wenn du tüchtig bist, gehörst du dazu. In Deutschland wird teils so getan, als würden wir jedem ausländischen Spezialisten, den wir einwandern lassen, einen Gefallen tun. Wir verkennen aber, dass wir um die gut Ausgebildeten mit anderen Staaten konkurrieren.

Für ein entsprechendes Gesetz in Deutschland müssen Sie die CDU und CSU mit ins Boot holen. Wie wollen Sie das machen?
Bei allem Streit, den es im Augenblick in den Unionsparteien gibt, kommen auch diese nicht um ein modernes Einwanderungsrecht herum. Spätestens, wenn die Renten nicht mehr bezahlt werden können, weil die Beitragszahler fehlen, werden auch die größten Skeptiker schnell nach der Einwanderung qualifizierter Fachkräfte rufen. Wir werden eine Macht des Faktischen haben. Ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren ein modernes Einwanderungsrecht schaffen werden, damit gut qualifizierte Menschen nach Deutschland kommen können.

Was soll im Einwanderungsgesetz stehen?
Wir müssen vor allem fragen, woran es hakt und wie das zu lösen ist. Ein Alltagsbeispiel: Ein Software-Entwickler aus Uruguay hat ein Jobangebot von einer Hamburger Firma erhalten mit 100000 Euro Bruttoverdienst im Jahr. Für den Spezialisten gab es aber kein Reinkommen nach Deutschland, weil der Hochschulabschluss fehlte. Die Firma sucht noch heute Software-Entwickler. Außerdem muss ein modernes Einwanderungsrecht unbürokratischer, übersichtlicher und transparenter werden. Wir haben einen Regel-Dschungel von fast 50 unterschiedlichen Aufenthaltstiteln. Das deutsche Einwanderungsrecht ist selbst für Juristen kaum zu durchschauen. Das ist wenig attraktiv für den mittelständischen Unternehmer hier in Sachsen-Anhalt, der nach Fachkräften sucht. Und abschreckend für den IT-Spezialisten etwa aus Indien, der seine Zukunft in den USA, Kanada oder eben in Deutschland sieht.

Wie wollen Sie das Dickicht konkret lichten?
Zum Beispiel mit einem Punktesystem, das die Bestimmungen sinnvoll und einfach ergänzt. Ein Interessent soll sich schon im Internet seine Chancen auf Einwanderung ausrechnen können. In Kanada gibt es auch den umgekehrten Weg: Der Bewerber kann im Internet seine beruflichen Qualifikationen einstellen. Wenn sich ein interessierter Arbeitgeber findet, ist das schon die halbe Miete. Über das Punktesystem werden auch Berufsqualifikation, Sprachkenntnisse oder verwandtschaftliche Beziehungen in das Einwanderungsland abgebildet. Der große Vorteil ist daneben, dass so Einwanderung nach dem in jedem Jahr variierenden Bedarf gesteuert werden kann. Nach benötigter Qualifikation von Ärzten bis zu Handwerken oder auch nach Regionen - der Bedarf kann in Sachsen-Anhalt anders sein als in Bayern. Ein Ergebnis dieser Steuerung: Gegenwärtig haben in Kanada 50 Prozent der Zuwanderer einen Hochschulabschluss, in Deutschland sind es nur 30 Prozent.

Was aber ist mit den Asylbewerbern, die schon im Lande sind oder noch kommen werden?
Rund 20 Prozent der Asylbewerber in Deutschland haben einen Hochschulabschluss, ein weiteres Drittel verfügt über eine Berufsausbildung, macht über 50 Prozent Qualifizierte. Da wäre es doch klug, sich das anzuschauen und diese Menschen nicht einfach wieder wegzuschicken. Da wird in Deutschland etwas verächtlich über Wirtschaftsflüchtlinge gesprochen. Aber ist es wirklich unanständig, wenn jemand sich und seiner Familie mit seiner Hände Arbeit eine Zukunft aufbauen möchte? Ein Punktesystem könnte auch diesen Qualifizierten eine faire Chance geben, sich zu bewerben, anstatt - meist erfolglos - einen Asylantrag zu stellen.

Die Flüchtlingswelle aus dem Kosovo lässt sich so nicht beherrschen.
Im Augenblick muss auch ein qualifizierter Handwerker aus dem Kosovo einen Asylantrag stellen, um überhaupt nach Deutschland zu kommen, und wird bei einer Erfolgsquote von 0,3 Prozent dann wieder weggeschickt. Über ein Punktesystem für die Berufsfelder, bei denen in Deutschland Mangel herrscht, wäre hingegen eine zielgerichtete Lenkung möglich. Asyl ist nicht dafür gedacht, durch eigene Arbeit die persönliche wirtschaftliche Situation zu verbessern. Das Punktesystem könnte also als Ergänzung zu gegenwärtigen Regelungen dienen. Es würde denjenigen, die mit guten Qualifikationen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, einen anderen Weg eröffnen als die Asylverfahren.

Das bedeutet eine teilweise Überschneidung zwischen unterschiedlichen Rechtsverfahren. Soll die Grenze zwischen Einwanderung und Asyl damit aufgehoben werden?
Nein, es ist weiter strikt zu trennen zwischen einer Einwanderung aus gut verstandenem deutschen Interesse heraus und dem politischen Asyl. Da wird nicht nach der Qualifikation gefragt, sondern nach dem Schutzbedürfnis, wenn beispielsweise Menschen bei den Kämpfen in Syrien oder Nord-irak ihr nacktes Leben retten. Das Einwanderungsgesetz soll die gesteuerte Zuwanderung für qualifizierte Arbeitskräfte regeln, das Asylrecht bleibt wie bisher für Menschen vorbehalten, die politisch verfolgt werden. Daran ändert sich nichts.