Magdeburgerin schneidert nach Maß Handschuhe handgemacht

Modefirmen lassen ihre Kleidung heutzutage fast nur noch in Asien
produzieren. Massenhaft, zu Billigpreisen. Die Magdeburgerin Viktoria
Wilkens hat sich trotzdem dazu entschieden, die Handschuh-Manufaktur
ihres Großvaters zu übernehmen. Sie setzt auf individuelle Mode und
kluges Marketing.

09.03.2015, 10:03

Magdeburg l Viktoria Wilkens steht in der Werkstatt, blättert mit der linken Hand in ihrem Katalog, mit der rechten hält sie den Telefonhörer. "Wenn Sie mir eine E-Mail mit Ihren Wünschen schreiben, mache ich Ihnen ein Angebot." Wenig später legt sie auf. "Das war ein Kunde aus Düsseldorf", erzählt die 31-jährige Betriebsinhaberin. Seit sie http://www.handschuhschmidt.de">ihre Internetseite modernisiert hat, erhält sie Anfragen aus ganz Deutschland. "Auch in der Schweiz und in England habe ich Kunden."

Obwohl es Handschuhe für kleines Geld überall zu kaufen gibt, kann Viktoria Wilkens nicht klagen. "Es gibt genug Leute, die individuelle Mode bevorzugen, die sich optisch von der Masse abheben wollen." Bei Wilkens können die Kunden zwischen sechs verschiedenen Lederarten und fünf unterschiedlichen Innenfuttern wählen. "Und bei Farben und Verzierungen sind fast keine Grenzen gesetzt."

Vor zwei Jahren hat Wilkens den Handwerksbetrieb "Handschuhschmidt" von ihrem Großvater Claus Schmidt übernommen. "Da bin ich so reingerutscht", erzählt sie. Nach der Schule hatte sie erst eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht, wollte anschließend Wirtschaftsingenieurin werden. "Während des Studiums habe ich aber schon bei meinem Großvater nebenbei mitgearbeitet, um meine Finanzen aufzubessern." Weil das so viel Spaß machte, stieg sie aus der Uni vorzeitig aus und in den Betrieb ein.

Oma hilft im Betrieb bei der Büroarbeit
Über die Risiken, etwa der asiatischen Billig-Konkurrenz, sei sie sich von Anfang an im Klaren gewesen. "Man muss mutig sein, offen für neue Ideen", findet Wilkens. "Und ob ich hier den Job verliere oder woanders - Risiken gibt es überall." Zudem habe es für sie einen großen Reiz, ihr eigener Chef zu sein. "Da stört es mich auch nicht, wenn ich statt 40 mal 60 Stunden die Woche arbeite."

Wilkens beschäftigt noch eine Angestellte. Im Winter, zur Hauptsaison, helfen eine weitere Angestellte und ihre Oma auf Nebenjob-Basis aus. "Meine Oma hilft mir beim Papierkram und ein bisschen beim Nähen." Die Kundschaft kommt mittlerweile nicht nur von überall her, sie ist auch bunt gemischt. "Junge Leute bestellen sich bei mir ebenso Handschuhe wie ältere Kunden", erzählt Wilkens.

Neben modischen Kreationen stellt Wilkens auch orthopädische Handschuhe her. "Neulich habe ich einem Zwei-Meter-Mann Handschuhe angefertigt, der Kunde hatte zuvor in anderen Geschäften kein passendes Paar für seine großen Hände gefunden." Kleine Kunden mit kleinen Händen gehörten ebenso zur Käuferschaft. "Und jene, die etwa durch einen Unfall Finger verloren haben - die können Fünf-Finger-Handschuhe nicht gebrauchen, weil die bei Arbeiten dann hinderlich sind."

Beruf wird nicht mehr ausgebildet
Pro Jahr fertigt Wilkens mit ihren Mitarbeitern 800 Paar Handschuhe. Sie kosten zwischen 90 und 350 Euro. Wilkens ist zuversichtlich, ihren 60 Jahre alten Familienbetrieb auch in Zukunft weiter fortführen zu können. "Ich möchte meine Handschuhe bald auch über andere Geschäfte verkaufen, die maßgeschneiderte Kleidung wie Herrenanzüge anbieten", verrät sie. Vom Online-Handel will sie sich hingegen fernhalten. "Meine Handschuhe soll es nicht als Massenware geben, sie sollen ihren exklusiven Status behalten."

Mit Handschuhschmidt betreibt Viktoria Wilkens eine der letzten Handschuh-Manufakturen in Deutschland überhaupt. "Auf der Handwerksmesse in Leipzig habe ich noch einen anderen Anbieter getroffen, sonst ist mir kein weiterer Betrieb bekannt." Nach Angaben der Handwerkskammer Magdeburg wird der Beruf Handschuhmacher auch nicht mehr ausgebildet. Insofern bewahrt Wilkens ein selten gewordenes Handwerk.