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Rekordverluste durch Energiewende Deutsche Stromkonzerne in der Klemme

RWE sieht sich im "Tal der Tränen", Eon meldet einen Rekordverlust von
3,2 Milliarden Euro: Deutschlands Stromversorger stecken in der Krise.
Das gefährdet weitere Jobs.

Von Rolf Schraa und Jan-Henrik Petermann 12.03.2015, 01:24

Essen/Düsseldorf (dpa) l Deutschlands größte Versorger Eon und RWE verlieren in der Energiewende Milliarden - die Stromriesen fahren scharfe Sparprogramme, kürzen Jobs und suchen dringend nach alternativen Geschäftsideen. Eon hat sich für eine Abspaltung von Gas, Kohle und Atomkraft entschieden - RWE behält alles unter einem Dach. Die wichtigsten Baustellen:

Rückgang bei der konventionellen Stromerzeugung: Mit seinen Gas- und Kohlekraftwerken verdient RWE wegen des Absturzes der Börsenstrompreise immer weniger Geld. Doch gleichzeitig werden fossile Anlagen gebraucht, um die Versorgungssicherheit in Zeiten der noch schwankenden Ökostrom-Einspeisung zu gewährleisten. Das Ergebnis aus der Stromerzeugung schrumpfte bei den Essenern 2014 um fast ein Drittel auf knapp eine Milliarde Euro. Eon verdiente mit 2,2 Milliarden Euro zwar etwas mehr Geld als im Vorjahr. Dies lag aber unter anderem an Sondereffekten wie der gesparten Brennstoffsteuer durch die vorzeitige Abschaltung des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld.

Auf zahlreiche Kraftwerke im Ausland schrieb Eon Milliarden ab - das ist die Hauptursache für den 3,2 Milliarden Ero umfassenden Rekordverlust unterm Strich für 2014. Die Düsseldorfer prüfen zusammen mit drei kommunalen Versorgern die Stilllegung eines Gaskraftwerks im bayerischen Irsching - einer der modernsten Anlagen in ganz Europa. Die Branche fordert Geld für das Bereithalten von Energie in windarmen und dunklen Zeiten.

Kaum Entlastung für Stromkunden: Die Stromkunden merken von den Tiefstpreisen an der Strombörse wenig, die Verbraucherpreise haben bei vielen Anbietern zuletzt nur ganz leicht nachgegeben. Eon hat seinen 6,1 Millionen Strom- und Gaskunden versichert, die dreistelligen Millionenkosten für die geplante Aufspaltung des Konzerns nicht auf den Strompreis aufzuschlagen. "Zu spenden für unseren Split - das sieht der Markt nicht vor", sagte Vorstandschef Johannes Teyssen. Auch eine Sprecherin der für Sachsen-Anhalt zuständigen Eon-Tochter Avacon mit Sitz in Helmstedt sagte, es gebe keine Auswirkungen auf Kunden.

Sparen und Abbau: RWE spart an Sachausgaben und Personal und verkauft Beteiligungen oder ganze Firmen wie seine Öltochter Dea. Der Mitarbeiterstand schrumpfte dadurch bis Ende 2014 um rund 5000 auf knapp 60000 Vollzeitstellen. Das Sparprogramm wurde von 1,5 Milliarden Euro bis Ende 2015 auf 2 Milliarden Euro bis 2017 verlängert und aufgestockt. Weitere 1200 Jobs sollen in den nächsten Jahren wegfallen. Ähnlich bei Eon: 10500 Jobs bauten die Düsseldorfer in den vergangenen Jahren ab, 1500 weitere Stellen sollen 2015 noch gekappt werden.

Wachstum bei erneuerbaren Energien: Die großen Hoffnungen auf sichere Gewinne durch die erneuerbaren Energien haben sich zunächst nicht erfüllt. 2014 schrumpfte bei RWE das Ergebnis aus der Sparte sogar um fast ein Zehntel - unter anderem, weil in Spanien Fördersätze drastisch gekürzt wurden. 2015 hofft RWE auf deutlich wachsende Gewinne, weil zwei große Windparks vor Wales und Helgoland voll ans Netz gehen. Auch Eon setzt auf mehr Einkünfte aus der Windkraft. Schon 2014 gab es hier einen deutlichen Zuwachs.

Zwang zu Innovationen: Mit kundennahen Angeboten wollen sich die Versorger retten. Doch das Geschäft ist kleinteilig, die Einnahmen sind nicht mit den satten Kraftwerksgewinnen von früher zu vergleichen. Ein Thema ist das "Smart Metering" - die bedarfsgenaue Messung und Abrechnung nach variablen Tarifen anstelle pauschaler Abschläge. Um für diesen Technologiesprung fit zu sein, ändert Eon seine Struktur radikal: Der gesamte Teil mit Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken sowie dem Fördergeschäft soll 2016 in eine neue Gesellschaft mit weltweit 20000 Beschäftigten kommen. Der Hauptkonzern will sich künftig auf Geschäfte wie Ökostrom, Energienetze und den Vertrieb konzentrieren. Erste Details wie die Standorte der Gesellschaften will Eon im zweiten Quartal vorstellen.

Holpriger Atomausstieg: Nach dem Schock von Fukushima vor genau vier Jahren traf der bis 2022 beschlossene Atomausstieg die Stromkonzerne auf dem falschen Fuß. Sie hatten auf Laufzeit-Verlängerung für ihre profitablen Kernkraftwerke gesetzt. Eon forderte wegen entgangener Gewinne 380 Millionen Euro Schadenersatz für das dreimonatige Atom-Moratorium nach dem Erdbeben und Tsunami, RWE 235 Millionen. Auch gegen die Steuer auf Kernbrennstoffe wehren sich die Unternehmen. Umstritten bleibt die Finanzierung des Rückbaus der Nuklearanlagen: Kritiker befürchten, dass die Rücklagen der Konzerne für die milliardenteuren Arbeiten nicht ausreichen könnten. Meinung