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Auto-Experte Frank Schwope "VW muss effizienter produzieren"

24.04.2015, 01:21

Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch hat Vorstandschef Martin Winterkorn nicht grundlos infrage gestellt. Der Autokonzern kämpft mit hohen Kosten und Absatzproblemen. Auto-Experte Frank Schwope beschreibt im Gespräch mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen die größten Baustellen.

Volksstimme: Herr Schwope, der öffentliche Angriff von VW-Patriarch Ferdinand Piëch auf Konzernchef Martin Winterkorn hat selbst die Aufsichtsräte im Unternehmen kalt erwischt, konnte Winterkorn doch in den vergangenen Jahren stets mit steigenden Gewinn- und Absatzzahlen glänzen. Sind die Sorgen Piëchs um die wirtschaftliche Lage des Unternehmens berechtigt?
Frank Schwope: Ferdinand Piëch betrachtet den Volkswagen-Konzern als sein Lebenswerk, das er in besten Händen wissen will. Und er sieht, dass die Bilanzen zuletzt zwar gut, aber eben nicht sehr gut ausgefallen sind. Das Unternehmen kämpft schon länger mit einer Reihe von Problemen. Das US-Geschäft läuft schlecht, die Kernmarke Volkswagen wirft wenig Gewinne ab, die Zusammenarbeit von Scania und MAN lässt auf sich warten und Modellentscheidungen ziehen sich teilweise zu lange hin.

Warum tut sich Volkswagen in den USA so schwer?
Das liegt vor allem an einer verfehlten Modellpolitik. Die Amerikaner fahren gerne große und sichere Autos. Verkaufsschlager in den USA sind vor allem Geländewagen, sogenannte SUVs und Pick-Ups, also Fahrzeuge mit Ladefläche, gerade für die ländlichen Regionen. Volkswagen hat zwar den Amarok entwickelt, verkauft ihn bislang aber nicht in den USA.

Woher kommt die Liebe der Amerikaner zu großen Autos?
Die Amerikaner ticken pragmatisch, sie wollen die oftmals weiten Strecken bequem und sicher mit großen Autos zurücklegen. Und die Farmer, aber auch viele andere Autokäufer möchten auch in der Lage sein, größere Geräte zu transportieren. Auf technische Schnickschnacks, die europäische Autobauer bieten, legen sie dagegen nicht so viel Wert. Dass das Interesse an großen Autos ungebrochen ist, hängt natürlich auch mit den vergleichsweise niedrigen Spritpreisen zusammen. Ein Umdenken würde in den USA wohl nur dann einsetzen, wenn die Preise sehr deutlich anziehen.

Die Absatzprobleme in den USA sind nicht neu, warum hat VW darauf noch nicht mit einer Modelloffensive reagiert?
Ansätze hat es gegeben, Volkswagen präsentierte zum Beispiel einen für den US-Markt entwickelten Passat. Doch teilweise sind die Reaktionszeiten der Wolfsburger auf Markttrends zu langsam. Amerikanische Kunden wollen spätestens alle zwei Jahre Facelifts, also leichte optische Veränderungen bei Neuwagen, haben. In Europa fallen längere Modelllaufzeiten dagegen nicht so sehr ins Gewicht.

Aufsichtsrat Hans Michel Piëch, der Bruder des Patriarchen, kritisierte Winterkorn zuletzt auch für die schleppende Entwicklung eines Billigautos für den asiatischen Markt.
Ursprünglich hatte VW vor, mit dem japanischen Autobauer Suzuki ein Billig-Auto zu entwickeln. Doch dazu ist es bislang nicht gekommen, weil zwischen beiden Partnern unter anderem ein Streit über den Einkauf von Motoren entbrannt ist. Volkswagen ist mit 19,9 Prozent an Suzuki beteiligt. Über diese Beteiligung dürfte in den nächsten Monaten ein Schiedsgericht in London entscheiden. Volkswagen könnte sich umorientieren, spekuliert wird über eine Kooperation mit dem chinesischen Autobauer Great Wall.

VW ist in China stark vertreten. Wächst nicht auch die Gefahr, dass sich der Konzern zu abhängig von diesem Markt macht?
Sicher ist das Geschäft dort nicht risikofrei, aber der Markt ist bereits der größte der Welt und weist noch immer starke Wachstumsraten auf. Vor nicht allzu langer Zeit kamen auf 1000 Einwohner in China nur 50 Autos, mittlerweile sind es rund 100. In West-Europa kommen auf 1000 Einwohner 550 Autos, das zeigt, dass das Potenzial in China noch immer riesig ist. Sollte China eine Motorisierung wie in West-Europa erreichen, fehlen dort also noch fast 600 Millionen Autos. Man muss allerdings befürchten, dass die chinesische Regierung künftig die eigenen Autobauer noch stärker fördern und ausländische Hersteller stärker beschränken wird. Konzerne wie VW könnten es dann schwerer haben, zumal sie auf chinesische Joint-Venture-Partner angewiesen sind.

Ein weiteres Sorgenkind in der VW-Familie ist die Kernmarke Volkswagen, sie wirft zu wenig Gewinne ab.
Volkswagen muss in der Tat daran arbeiten, effizienter zu produzieren. Die Gewinnmarge der VW Pkw liegt derzeit nur bei 2,5 Prozent. Konzernweit liegt sie dagegen bei 6,3 Prozent. Bei Konkurrent Toyota liegt die Marge bei 9,7 Prozent. Mit der weiteren Ausrollung des modularen Querbaukastens MQB dürften die Kosten sinken. Unter anderem werden bereits die Modelle Golf 7, Passat und Touran mit dem MQB gefertigt.

Kritiker bemängeln, der VW-Konzern sollte mehr in die Entwicklung von Elektroautos investieren, ist da etwas dran?
Ich denke nicht. VW hat bereits den E-Up und den E-Golf vorgestellt, der Markt für solche Autos ist nach wie vor sehr klein. Das ändert sich auch nicht, solange der Sprit für Verbrennungsmotoren erschwinglich bleibt. Und ich denke, dass VW rechtzeitig aus der Deckung kommt, wenn der Markt für E-Fahrzeuge in einigen Jahren stärker wächst.

Welche Probleme muss Konzernchef Winterkorn aus Ihrer Sicht als Erstes lösen?
Er muss die Kosten bei der Kernmarke Volkswagen senken. Der Vorstand sollte aber auch über neue Entscheidungsstrukturen im Unternehmen diskutieren. Mehr Verantwortung für die Markenchefs beziehungsweise für die Länder-Verantwortlichen wäre wünschenswert. Momentan kommt kein Modell auf den Markt, das nicht von der Konzernspitze abgenommen wurde. Das mag vielleicht in einem Unternehmen mit einer Marke funktionieren, aber nicht in einem Konzern mit zwölf Marken.

Volkswagen muss schneller auf Markttrends reagieren und muss sich noch stärker den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden anpassen, wenn es um die Entwicklung neuer Autos geht.

Besuchen Sie die Hauptversammlung des VW-Konzerns am 5. Mai in Hannover?
Gewöhnlich gehe ich nur selten zu Hauptversammlungen. Aber dieses Mal werde ich wohl eine Ausnahme machen.