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Holocaust-Satire Lachen, wo man es nicht will

28.04.2015, 01:21

Der deutsch-jüdische Schriftsteller Edgar Hilsenrath hat mit dem Roman "Der Nazi der Friseur" eine Satire über den Holocaust geschrieben. Regisseurin Susanne Lietzow bringt das Stück als Uraufführung am Schauspielhaus Magdeburg auf die Bühne. Grit Warnat hat mit ihr über das Buch, den Autor und das Stück gesprochen.

Volksstimme: Edgar Hilsenrath lässt einen SS-Mann und Massenmörder in die Rolle seines einstigen Jugendfreundes Itzik Finkelstein schlüpfen, der ermordet wurde. Mit der neuen Identität wird der ein angesehener Friseur in Israel. Warum wurde das Thema bisher nicht als Bühnenstoff verarbeitet?
Susanne Lietzow: Ich bin darüber sehr erstaunt. Es ist ein sehr theatraler fleischiger Stoff, sehr auf Dialogen aufgebaut mit vollen Figuren. Ich kannte den Roman und finde ihn hochintelligent. Er passt so unglaublich in unsere Zeit. Es ist ein großartiges und spannendes Thema, das Hilsenrath in seiner wunderbar grotesken, sehr radikalen Form aufgegriffen hat. Vielleicht hat es mit der eigenartigen Geschichte des Buches zu tun.

Sie meinen sicherlich, dass das Buch in Amerika erfolgreich war, sich in Deutschland aber lange kein Verleger fand. Können Sie das nachvollziehen?
Vor der Welle der Aufarbeitung gab es die Zeit des großen Schweigens. Eben in dieser Zeit hat Hilsenrath eine besondere Form gewählt, um dieses Trauma des Holocausts aus einer anderen Sicht zu bewältigen. Das ist sehr mutig. Als Überlebender des NS-Terrors ist er einen großen Schritt gegangen. Das konnten viele nicht verstehen.

Hilsenrath ist in all der Grausamkeit sarkastisch, gar komisch. Befremdet Sie das?
Man muss an Stellen lachen, obwohl man es überhaupt nicht will. Das ist sehr provozierend. Ich finde das gut. Hilsenrath schaut auf den unreflektierten Volksmund.

Wie schwer fällt es, eine Satire über den Holocaust zu kürzen und in eigene Worte zu fassen?
Es war eine zeitintensive Arbeit. Ich habe auf seine wahnsinnig tolle poetisch-brutale Sprache gesetzt. Seine Dialoge sitzen. Deshalb war es vor allem eine schöne Arbeit, auch wenn man sich immer mit dieser Unbegreiflichkeit dessen, was passierte, konfrontiert sieht.

Für den Autor sind Opfer nicht immer die besseren Menschen. Ihm wurde deshalb Antisemitismus vorgeworfen, es wurde kritisiert, er würde Vorurteile und Klischees bedienen. Sehen Sie das auch so?
Überhaupt nicht. Ich finde, er schaut sehr genau. Er reduziert, er fokussiert und lässt die Figuren unreflektiert und groß im Raum stehen. Seine Figuren sind Typen. Und er spielt mit den großen Themen, die sehr aktuell sind.

Hilsenrath schreibt, wie ein unpolitischer jungen Mann zum Nazi, zum Mörder wird.
Diese Aktualität vergeht nicht. Deshalb mussten wir für das Stück nichts versetzen, die Assoziationen sind so klar und so nah bei uns.

Wie wird das Bühnenbild aussehen?
Wir haben ein sehr reduziertes Bühnenbild. Um den Raum aufzulösen, spielen wir mit Video. Es gibt keine Hintergrund-Projektionen, sondern die Schauspieler stehen mitten im Video. Bei der großen Schiffsreise beispielsweise schwemmt das Meer von vorne rein. Dadurch ändert sich immer wieder das Bild.

Haben Sie mit Edgar Hilsenrath über Ihre Arbeit gesprochen?
Ein Treffen war vor einigen Tagen geplant, aber das hat leider nicht geklappt. Das ist sehr schade.

Edgar Hilsenrath hatte einmal in einem Interview mit der Volksstimme gesagt, er fühle sich in Deutschland verkannt.
Ich bin selbst erstaunt, wie wenige Leute seinen Namen und seine Bücher kennen. Er ist irgendwie durchs Raster gefallen. Dabei ist er im englisch- und französischsprachigen Raum ein Star. In Amerika waren seine Bücher Bestseller.

Er bringt uns zum Weinen und zum Lachen. Mit welchen Emotionen wird Ihr Publikum aus dem Stück gehen?
Vielleicht mit einem schweren und momentan tagespolitischen Rätsel, wenn der Massenmörder Max Schulz zum Schluss sagt: Ich wünsche mir eine Strafe für mich, die meine Opfer zufriedenstellt.