Mai-Kundgebungen Streitthema Mindestlohn

Seit mehr als 125 Jahren gehen die Menschen am 1. Mai für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße. Bei den diesjährigen Kundgebungen der Gewerkschaften standen aktuelle Konfliktthemen im Mittelpunkt.

02.05.2015, 01:22

Berlin/Weimar (dpa) l Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hat zum Tag der Arbeit eindringlich die Einhaltung des Mindestlohns in allen Branchen gefordert. "Wir werden eine Aushöhlung des Mindestlohns nicht zulassen", sagte er am Freitag in Berlin auf der zentralen Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Hoffmann sprach vor mehreren tausend Menschen vor dem Brandenburger Tor. Nach Gewerkschaftsangaben nahmen rund 400000 Menschen an bundesweit mehr als 470 Kundgebungen teil.

Mit rechtsradikalen Parolen störten Rechtsextreme in Weimar die dortige DGB-Kundgebung. Die Polizei sprach von vier Verletzten und 29 vorläufigen Festnahmen. Dem SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider, der gerade eine Rede halten wollte, entrissen die Angreifer das Mikrofon.

DGB-Chef Hoffmann sagte in Berlin, es sei völlig abstrus, mit welchen Argumenten Arbeitgeber und Teile von CDU und CSU gegen den Mindestlohn agitierten. "Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro, der seit Januar gilt, konnte nach zehn Jahren Auseinandersetzung ein historischer Erfolg errungen werden."

Wertschöpfung vor Wertschätzung?
Die Union will die Grenze für die Dokumentationspflicht von einem Bruttogehalt von 2958 Euro auf 1900 Euro senken. Zudem dringt sie auf Änderungen für ehrenamtliche Tätigkeiten in Kirchen oder Sportvereinen sowie auf flexiblere Arbeitszeiten in der Gastronomie und der Saisonarbeit.

Ein weiterer Schwerpunkt der Demonstrationen war die Forderung nach einer größeren Wertschätzung von Arbeit. DGB-Chef Hoffmann forderte eine gesellschaftspolitische Debatte über den Wert von Arbeit. Dabei gehe es um weit mehr als nur den Lohn, sondern auch um Wertschätzung und Anerkennung. "Wir akzeptieren keine Marktwirtschaft, in der Wertschöpfung allein das Zauberwort ist. Wir wollen Wertschöpfung und die volle Wertschätzung von Arbeit."

Der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske bekräftigte die Forderung nach einer Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe. Die gestiegenen Anforderungen an Erzieher und Erzieherinnen hätten bisher keine Entsprechung in der Bezahlung gefunden, sagte Bsirske bei einer Kundgebung in Essen. Nach den gescheiterten Tarifverhandlungen für Erzieher und Sozialarbeiter in kommunalen Einrichtungen läuft derzeit eine Urabstimmung für einen unbefristeten Streik. Die Gewerkschaften Verdi, GEW und dbb fordern eine höhere Eingruppierung der Beschäftigten unter anderem in Kitas und sozialen Einrichtungen.

Weltfeiertag der Arbeit
IG-Metall-Chef Detlef Wetzel verlangte zum Tag der Arbeit mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Dies sei nötig, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und gute Arbeit zu gestalten, erklärte Wetzel in München. "Neue Technologien werden die Arbeitswelt gravierend verändern, dies darf nicht zum Rückschritt für die Beschäftigten führen." Auch in Zukunft müssten sichere Arbeitsplätze, tarifliche Entgelte, gute Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung höchste Priorität haben. Vor allem prangerte er dabei den Missbrauch von Werksverträgen an, der unterbunden werden müsse.

Die Proteste zum 1. Mai hatten vor mehr als 125 Jahren begonnen. 1886 gingen Tausende Arbeiter in Chicago in den USA auf die Straße und streikten für einen Acht-Stunden-Arbeitstag. 1890 beteiligten sich in Deutschland rund 100000 Arbeiter am ersten "Weltfeiertag der Arbeit". Seither gehen die Menschen an diesem Tag für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße.