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Boom bei Möbelherstellern Wohnzimmer als Wertanlage

Die einen wollen sich nach 25 Jahren neu einrichten, die anderen ihr
Geld in bleibende Werte investieren. Die Möbelhersteller in
Sachsen-Anhalt haben derzeit alle Hände voll zu tun, die Aufträge von
ihren Kunden abzuarbeiten.

15.05.2015, 01:20

Magdeburg l Timo Heße hat nicht viel Zeit. Der Geschäftsführer von Arte Möbel in Magdeburg bekommt laufend Anfragen. "Es gibt viele, die kurz nach der Wende Möbel aus dem Westen gekauft haben und sich nun nach 25 Jahren neu einrichten wollen", erzählt er. Seine 15 Mitarbeiter haben deshalb buchstäblich alle Hände voll zu tun, sie planen und bauen fast alles: Wohnzimmer, Küchen, Bäder und begehbare Kleiderschänke.

"Bei uns gibts nichts von der Stange", betont Heße. Genau das imponiere vielen Käufern. "Die wirtschaftliche Entwicklung im Land hat dazu geführt, dass immer mehr Leute das Geld haben, für ihre Einrichtung einen Tischler zu engagieren." Wobei maßgeschneiderte Möbel auch nicht zwangsläufig teurer sein müssen als die aus dem Möbelhaus, betont Heße. "Wer eine verwinkelte Küche hat, muss auch im Möbelhaus mehr Geld für passende Schränke zahlen."

"Es gibt Kunden, die geben schon mal 20000 Euro aus."
Tobias Fritze, Möbelwerk Magdeburg

Die Sonderkonjunktur bei den Möbelherstellern hat aber noch eine weitere Ursache: "Seit der Finanzkrise entdecken immer mehr Vermögende hochwertige Möbel als Anlageobjekt - davon profitieren die Handwerksbetriebe", berichtet Jörg Schwamberger, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands der Tischler in Sachsen-Anhalt. Geht die Niedrig-Zins-Phase weiter, dürfte sich die Konjunktur für Tischler fortsetzen.

Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) legen die Deutschen nur noch neun Prozent ihres Einkommens auf die hohe Kante, im Jahr 2010 lag die Quote noch bei 15 Prozent. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa wiederum fand kürzlich heraus, dass die Bundesbürger ihr Geld vor allem für Autos und Möbel verplanen. Erst an dritter Stelle stehen Rücklagen für die Altersversorgung.

Über volle Auftragsbücher freut sich auch Tobias Fritze, Geschäftsführer des Möbelwerks Magdeburg. "Das Unternehmen ist 2001 als Ein-Mann-Betrieb gestartet, mittlerweile haben wir 16 Mitarbeiter", erzählt er. Das Möbelhandwerk habe sich allerdings auch verändert, betont Fritze. "Die Kunden möchten heutzutage nicht mehr nur eine grobe Skizze vorab sehen, sie legen Wert auf dreidimensionale Grafiken", erzählt er. In der Produktion wiederum kämen zunehmend computergestützte Maschinen zum Einsatz. "Dementsprechend steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeiter."

Das Möbelwerk bietet wie Arte Möbel den Kunden eine große Bandbreite, von Badezimmern über Küchen bis hin zum Wohnzimmer. "Momentan sind Möbel mit Glas und Edelstahl gefragt", erzählt Fritze. Auch hochwertige Holzimmitationen seien beliebt. "Es gibt Kunden, die geben für ein neues Schlafzimmer auch mal 20000 Euro aus."

"Beim Möbelbau sind auch künstlerische Fähigkeiten gefragt."
Timo Heße, Arte Möbel

Darin inbegriffen wären allerdings auch automatische Türen und Beleuchtungsanlagen. Timo Heße von Arte Möbel berichtet, dass die Kunden bei ihm verstärkt nach edlen Hölzern fragen würden. "Generell ist den Käufern schlichte Eleganz wichtig, sie wollen gut verarbeitete Möbel ohne Schnörkel."

Heße hat sich vorgenommen, den Trend zu individuellen Möbeln zu nutzen, um mit seinem Unternehmen weiter zu wachsen. Gelungen ist ihm das schon in der Vergangenheit, auch er hat, ähnlich wie Fritze, klein angefangen, 1997 mit drei Mitarbeitern. Nun sind es 15. Sein Traum ist es aber, in den kommenden Jahren mal eine Kleinserie zu fertigen. "Mit einer kleinen Möbelserie könnten wir uns dann auch mal selbst auf Messen präsentieren und uns bekannter machen", erzählt er. Auf den Massenmarkt vordringen will Heße aber nicht grundsätzlich. "Wir wollen uns unsere Exklusivität bewahren", betont er. "Das ist zwar komplizierter und stressiger, es macht aber auch mehr Spaß."

Aufmerksamkeit bekam Heße immerhin auch schon durch Wirtschaftsminister Hartmut Möllring. Der CDU-Politiker zeichnete ihn mit dem Unternehmerpreis "AURA" aus. Die Regierung verleiht den Preis an Unternehmen, die "Bestehendes hinterfragen, innovative Produkte entwickeln und erfolgreich auf den Markt bringen".

Arte Möbel weist auch eine Besonderheit auf: Das Unternehmen ist 115 Jahre alt. "Otto Schrader hat den Betrieb im Jahr 1900 gegründet", erzählt Heße. Selbst zu DDR-Zeiten sei das Unternehmen nicht verstaatlicht worden. "Der Betrieb ist in Ruhe gelassen worden, vielleicht weil er damals schon einen guten Ruf hatte." Relativ neu ist nur der Name "Arte Möbel" - den bekam der Betrieb, als er von Heße 1997 übernommen wurde. Und der Geschäftsführer hat sich bei dem Namen auch was gedacht: "Bei der Möbelherstellung sind ja nicht nur handwerkliche, sondern auch künstlerische Fähigkeiten gefragt."