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Bau und Industrie Deutschland fehlen Firmengründer

In Deutschland herrscht wenig Gründerstimmung: Zwar machen sich mehr Menschen als Freiberufler selbständig. Aber im Bau und in der Industrie geht der Trend nach unten. Auch insgesamt gehen weit weniger Existenzgründer an den Start als Anfang des Jahrtausends.

27.05.2015, 01:32

Frankfurt (dpa) l Eric Schweitzer schlägt Alarm: "Deutschland steckt in einer Gründungsmisere", warnt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Denn bei den Kammern ist die Zahl der Beratungsgespräche 2014 zum vierten Mal in Folge auf einen neuen Negativrekord geschrumpft, wie der DIHK am Dienstag in seinem "Gründerreport 2015" unterstreicht.

Allerdings beziehen sich die Zahlen des DIHK fast ausschließlich auf gewerbliche Existenzgründer. "Freiberufliche Gründer kommen in aller Regel nicht zu uns", bestätigt ein DIHK-Sprecher in Berlin.

Deshalb widersprechen die DIHK-Zahlen auf den ersten Blick den Ergebnissen des am Dienstag in Frankfurt veröffentlichten "KfW-Gründungsmonitors 2015": Demnach wagten 2014 erneut mehr Menschen den Schritt in die Selbständigkeit. Die Zahl der Gründungen stieg um etwa 47.000 auf 915.000.

Boom bei Coaching und Kindertagespflege

Das ist zwar nach dem absoluten Tiefpunkt 2012, als sich nur 775.000 Gründer selbständig machten, das zweite Plus in Folge. Von den Rekordzahlen zu Beginn des Jahrtausends ist das Gründungsgeschehen aber weit entfernt. 2001 zählte die KfW noch mehr als 1,5 Millionen Existenzgründer. "Das wird auf absehbare Zeit nicht wieder erreicht", glaubt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner: "Wir sind insgesamt zu wenig Gründer."

Und: Treibende Kraft waren im vergangenen Jahr alleine Gründungen in freiberuflichen Branchen, die gegenüber dem Vorjahr um 61.000 auf 368.000 stiegen. Besonders beliebt waren Bereiche wie Unternehmensberatung, Coaching, Kindertagespflege, Webdesign und auch Übersetzungen. "Ein Grund für den Boom von Existenzgründungen in freiberuflichen Tätigkeitsfeldern ist die größer gewordene Nachfrage nach Erziehungs- und Bildungsdienstleistungen, die von Gründern bedient wird", schreibt KfW-Studienautor Georg Metzger.

Hingegen gab es in den gewerblichen Bereichen ein Minus von 14.000 auf rund 547.000 Gründungen. Und das ist volkswirtschaftlich bedeutend, wie Metzger klarstellt: Denn wer sich im verarbeitenden Gewerbe oder im Bausektor selbständig macht, plant deutlich häufiger, ein Unternehmen aufzubauen und beschäftigt entsprechend häufiger Mitarbeiter.

Existenzgründer fördern Wettbewerbsfähigkeit

Aus Sicht des DIHK bestimmt die robuste Entwicklung am Arbeitsmarkt das Gründungsgeschehen: "Qualifizierte Fachkräfte suchen eher die Sicherheit einer Festanstellung." Auch die Wirtschaftspolitik sei derzeit alles andere als Werbung für Unternehmensgründungen, urteilt DIHK-Präsident Schweitzer.

Für Zeuner ist das jüngste Plus bei den Gründungen dennoch eine gute Nachricht für die deutsche Volkswirtschaft: "Existenzgründer fordern die bestehenden Unternehmen heraus und erschließen häufiger neue Märkte. Das fördert den Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit." Zudem seien durch Neugründungen im vergangenen Jahr 745.000 Vollzeit-Jobs entstanden, nach 602.000 im Vorjahr.

Dass sich 2014 nicht mehr Menschen selbständig gemacht haben, begründet auch die KfW mit der hohen Beschäftigung. Dadurch sinke die Zahl derjenigen, die aus der Not der Arbeitslosigkeit heraus einen Versuch auf eigenen Beinen wagten. Da der Arbeitsmarkt auch 2015 dank der anhaltend guten Jobaussichten keinen Druck erzeuge, in die Selbständigkeit zu wechseln, werde die Gründungstätigkeit 2015 voraussichtlich abflauen, prognostiziert Zeuner.

Schwache Bereitschaft zur Firmenübernahme

Mittelfristig kann dieser Trend fatale Folgen haben. Zeuner macht sich vor allem um die Unternehmensnachfolge Sorgen: "Ein stärkeres Interesse an einer Unternehmensnachfolge wäre wünschenswert. Die Chefs von mehr als einer halben Million kleiner und mittlerer Unternehmen wollen in den nächsten zwei Jahren ihre Firma an einen Nachfolger übergeben."

Doch die Suche dürfte schwer werden, denn die Bereitschaft zur Firmenübernahme ist in Deutschland extrem schwach ausgeprägt: 2014 machten sich drei von vier Existenzgründern selbständig, indem sie ein neues Unternehmen eröffneten - nur acht Prozent übernahmen ein etabliertes Unternehmen.