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Kennzeichnungspflicht Der Kampf für die Akzeptanz der Gentechnik

13.06.2015, 01:14

In einer Petition an den Bundestag wird die Kennzeichung von Gentechnik-Produkten gefordert. Eingereicht hat sie Horst Rehberger, Ex-Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt. Mit dem FDP-Politiker sprach Steffen Honig.

Volksstimme: Sie haben sich schon als Minister für Gentechnik stark gemacht - mit mäßigem Erfolg. Wollen Sie jetzt als Lobbyist nachholen, was Sie damals nicht geschafft haben?
Horst Rehberger: Ich will ehrenamtlich, also nicht als bezahlter Lobbyist, dazu beitragen, dass eine Wissenschaft, die für Sachsen-Anhalt besonders bedeutsam ist, auch allgemein akzeptiert wird. Die Kanzlerin betont zwar bei jeder Gelegenheit, dass sie für die Gentechnik ist, erklärt aber gleichzeitig, sie habe in der Regierung keine Mehrheit und betreibt daher bisher den Verbotskurs mit. Und dies für eine Wissenschaft, die genauso unbedenklich wie traditionelle Pflanzenzucht ist, wie eine Unzahl von Untersuchungen ergeben hat.

Wie sehen Sie Sachsen-Anhalt bei der Gentechnik positioniert?
Sachsen-Anhalt ist die Wiege der deutschen Pflanzenzucht. Hier sitzt die Wissenschaftsakademie Leopoldina, hier sitzt das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben - wir sind eine Hochburg der Pflanzenzucht. Mit Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens haben wir übrigens einen Vorkämpfer für die Gentechnik. Leider wird er von Ministerpräsident Reiner Haseloff, der auch auf diesem Sektor wenig zu bieten hat, und der Regierung nicht nennenswert unterstützt.

Sie operieren in ihrer Petition für die Gentechnik-Kennzeichnungspflicht damit, dass 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel bei der Herstellung mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Wie kommen Sie zu dieser Zahl?
Diese Zahl ist von Wissenschaftlern ermittelt, die nachweisen, dass in unseren Lebensmitteln die Gentechnik sehr stark vertreten ist. Nehmen wir das Fleisch von Tieren, deren Futter gentechnisch optimiert wurde. Es ist unglaublich, dass dieses Fleisch nach EU-Recht als gentechnikfrei verkauft werden darf, wenn diese Fütterung kurz vor der Schlachtung beendet wird und man die Kuh für ein paar Wochen auf der Wiese grasen lässt. Das ist ein glatter Fall von Volksverdummung.

Deutsche Verbraucher scheuen Gentechnik-Produkte gemeinhin wie der Teufel das Weihwasser. Glauben Sie das mit dem Transparenz-Vorstoß ändern zu können?
Der gravierendste Missstand ist, dass die Bevölkerung nicht darüber aufgeklärt wird, dass 70 bis 80 Prozent aller Lebensmittel, aber auch 150 Medikamente und viele andere Produkte des täglichen Bedarfs gentechnisch beeinflusst oder gewonnen werden. Weil der harte Kern der Gentechnik-Gegner, Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, von der Angst, die sie verbreitet haben, enorm profitieren. Dadurch bezahlen Menschen mehr für Produkte, die als gentechnikfrei deklariert sind. Die Bio-Lebensmittelindustrie revanchiert sich. Es wird geschätzt, dass Greenpeace aus diesem Bereich jährlich rund 20 Millionen Euro Spendenmittel bekommt. Greenpeace und Foodwatch lehnen unsere Petition ab, obwohl man denken könnte, dass sie eigentlich von diesen Organisationen kommen müsste. Sie sind jedoch dagegen, weil sie fürchten, dass eine aufgeklärte Bevölkerung die Angst vor der Gentechnik verliert.

Sie wollen also die Angst vor Gentechnik aufweichen.
Wir setzen auf Aufklärung statt Angst. Die Menschen haben einen Anspruch darauf, korrekt informiert zu werden. Sachsen-Anhalts Agrarminister Aeikens hat im Vorjahr in der Länderministerkonferenz den Antrag auf Kennzeichnungspflicht aller gentechnisch beeinflussten Lebensmittel eingebracht. Damit ist er jedoch bei seinen Kollegen von den Grünen abgeblitzt.

Glauben Sie Ihr Anliegen politisch durchsetzen zu können?
Ich glaube nicht an Wunder in der Politik. Wir haben die Petition vor drei Wochen auf den Weg gebracht. Schon von der dadurch erzeugten Aufmerksamkeit erhoffen wir uns einen Beitrag zur Aufklärung der Bevölkerung, egal wie der Bundestag reagiert.

Was soll auf den Produkten stehen? Schon heute ist die Verwirrung bei der Lebensmittelkennzeichnung groß, nehmen wir nur ein banales Hühnerei.
Da reden wir dem Gesetzgeber nicht rein. Wir könnten einen Vorschlag machen, aber wenn der Bundestag die Regierung auffordern sollte, für eine Kennzeichnung zu sorgen, wird das Landwirtschaftsministerium gewiss Lösungen finden. So dass zum Beispiel erkennbar ist, ob das Tier gentechnisch optimiertes Futter oder gentechnisch gewonnene Medikamente erhalten hat.

Ihr Plädoyer für die Gentechnik klingt nach blindem Glauben.
Nein, das ist kein blinder Glaube. Ich sage nicht, dass alles, was gentechnisch verändert wurde, auch genutzt werden sollte. Man muss sich die Produkte auf den Nutzen hin anschauen, egal welche Züchtungstechnik angewendet wurde.