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Umstrittene Förderung Bundesverfassungsgericht kippt Betreuungsgeld

Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Betreuungsgeld gekippt. Nicht der Bund, sondern die Länder seien für die Leistung zuständig, entschied das Gericht am Dienstag in Karlsruhe.

21.07.2015, 09:16

Karlsruhe (dpa/AFP) | Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld für die heimische Erziehung von Kleinkindern gekippt. Der Bund hatte nicht die Kompetenz, das im Sommer 2013 auf Druck der CSU eingeführte Gesetz zu erlassen, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil entschied. Die Regelung sei deshalb verfassungswidrig und nichtig.

In dem Gesetz war vorgesehen, dass Eltern 150 Euro monatlich bekommen, wenn sie ihr Kind zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat zu Hause erziehen, statt es in einer öffentlich geförderten Kita betreuen zu lassen. Dagegen klagte die SPD-geführte Landesregierung von Hamburg.

Laut des Karlsruher Urteils hat der Bund im Bereich der "öffentlichen Fürsorge" gegenüber den Ländern zwar eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit und darf daher Regelungen für Hilfen in individuellen oder existenziellen Notlagen erlassen. Doch dies gilt nur, wenn damit bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen werden. Das Betreuungsgeld gleicht laut dem einstimmig ergangenen Urteil aber keine Missstände bei Kita-Angeboten aus, weil die Zahlung nicht davon abhängt, ob ein Betreuungsplatz vorhanden ist, sondern nur davon, dass Eltern ihn nicht in Anspruch nehmen.

Auch aus dem vom Grundgesetz geschützten Elternrecht lässt sich den Richtern zufolge kein Anspruch auf Betreuungsgeld ableiten: "Das Angebot öffentlich geförderter Kinderbetreuung steht allen Eltern offen. Nehmen es Eltern nicht in Anspruch, verzichten sie freiwillig". Es geben dann auch keine Pflicht, diesen Verzicht durch eine Prämie auszugleichen.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgericht, Ferdinand Kirchhof, wies bei der Urteilsverkündung darauf hin, dass die rund 450.000 Empfänger des Betreuungsgeldes trotz der Entscheidung nicht die sofortige Einstellung der Zahlung befürchten müssen. Laut einer Härtefallregelung im zehnten Sozialgesetzbuch müssten solche Leistungen weiter gezahlt werden, wenn die Betroffenen sich darauf eingestellt haben.

In den Jahren 2013 und 2014 wurde jeweils weniger Geld abgerufen als im Familienhaushalt eingeplant worden war. In diesem Jahr stehen 900 Millionen Euro zur Verfügung, zunächst war eine Milliarde eingeplant. Die SPD hatte bereits vor dem Richterspruch angekündigt, sie wolle das Geld in den Ausbau der Kita-Betreuung stecken.

Die CSU will hingegen einen Weg finden, an der Leistung festhalten. In Bayern werden die Anträge auf Betreuungsgeld nach der Geburt eines Kindes gleich ausgefüllt an die Eltern verschickt. Die Daten des Statistischen Bundesamts zeigen Nord-Süd- und Ost-West-Unterschiede sowie ein unterschiedliches Bild in Flächenländern und Stadtstaaten.

Auffallend wenige Empfänger gibt es mit 1.700 Familien in Sachsen-Anhalt und knapp 1.800 in Mecklenburg-Vorpommern. In Bayern und Baden-Württemberg sind die Zahlen mit 100.000 bzw. 89.000 Familien besonders hoch. Auch Nordrhein-Westfalen zahlt 106.000 Familien das Betreuungsgeld - ist aber mit knapp 18 Millionen auch das mit Abstand bevölkerungsreichste Bundesland.

In den Millionenstädten Berlin und Hamburg beziehen nur jeweils knapp 7.000 Familien die Staatsleistung. Knapp 80.000 der 455.000 Betreuungsgeld-Bezieher haben einen ausländischen Pass. Nicht klar ist, wie viele Einwandererfamilien mit deutscher Staatsbürgerschaft das Betreuungsgeld beantragt haben. Eines der zentralen Argumente der Gegner ist, dass Kinder aus Migrationsfamilien vom Kindergarten ferngehalten werden und damit auch von der Chance, früh Deutsch zu lernen.

Im Durchschnitt beziehen die westdeutschen Familien das Geld 20 Monate lang. Im Osten sind es viereinhalb Monate weniger. Die maximale Dauer beträgt 22 Monate.