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Der Hallenser Wirtschaftsprofessor Ulrich Blum berät Südkorea in Wiedervereinigungsfragen Nordkoreas eigennütziges Kriegsgeschrei

Von Steffen Honig 11.05.2013, 03:15

Das publizistische Trommelfeuer Nordkoreas gegen den Rest der Welt ist noch nicht beendet: Dass die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye in dieser Woche US-Präsident Barack Obama in Washington traf, nannte die Führung in Pjöngjang offiziell einen "widerwärtigen kriecherischen Trip, um ihrem Meister zu gefallen". Doch verglichen mit dem Atomversuch vom Februar und den damit verbundenen pausenlosen Kriegsdrohungen scheint das nordkoreanische Regime einen Gang zurückgeschaltet zu haben.

Der vorerst letzte konfrontative Akt war die Schließung der nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone Kaesong Anfang Mai. Hier konnten Firmen aus Südkorea billig produzieren lassen, was für den Norden eine willkommene Devisenquelle bedeutete.

Dass Pjöngjang diese nun selbst trockengelegt hat, ist für Ulrich Blum ein "starkes Signal". Der Wirtschaftsprofessor an der Hallenser Luther-Universität und frühere Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle verfolgt die Entwicklung in Korea sehr genau. Er gehört zu den deutschen Experten, die Südkorea zu Themen einer möglichen Wiedervereinigung beraten.

Blum meint, die nordkoreanische Führung habe durch den Rauswurf der Südkoeraner aus Kaesong zeigen wollen, dass man nicht auf die dortige Billigproduktion angewiesen sei. "Das ist eine Industrie für Bangladesch, die Nordkoraener wollen aber eine Industrie wie in China oder Vietnam haben", so der Wirtschaftsfachmann.

Wie die einfachen Nordkoreaner denken, verschließt sich Außenstehenden weitgehend. Auch Blum ist bei seinen Reisen nach Korea bisher nicht weiter als in die entmilitarisierte Zone bei Panmunjom zwischen beiden Ländern vorgestoßen.

"Inkubator mit einer völlig anderen Lebenswelt."

Er berichtet aber von einer Begegnung mit einem geflohenen nordkoreanischen Funktionär in Südkorea. Dieser habe die fatalistische Haltung seiner Landsleute vor allem damit erklärt, dass sie keine Alternativen zum System kennen würden. "Nordkorea ist ein Inkubator mit einer völlig anderen Lebenswelt", erklärt Blum.

Der Selbsterhaltungstrieb ist es wohl, der die nordkoreanische Führung davon abhält, mit den riskanten Drohungen Ernst zu machen. Sollte es doch zum Schlimmsten kommen, wären nach Blums Meinung nur die Amerikaner zu einem vernichtenden Schlag gegen Nordkorea in der Lage - dann sogar mit dem Einverständnis von Russen und Chinesen.

Schon beim Großvater und Vater von Kim Jong Un, den Vorgängern in dieser stalinistischen Erbmonarchie, war es letztlich immer die Erpressung humanitärer Hilfe, die die Kriegsgefahr bannen half. Nach Blums Meinung dürfte der junge Führer jetzt versuchen, ausländische Investitionen in die Grundstoffindustrie Nordkoreas zu forcieren. Diese sei beschäftigungsintensiv und entspreche dem Weltmarkt mit seinem großen Bedarf an Ressourcen. Der Vorteil für das Regime wäre, dass bei dieser Produktionsform das bestehende Führersystem nicht in Frage gestellt werde.

Ganz anders verhalte es sich bei technologieorientierten Wirtschaftszweigen. "Hier gibt es dezentrale Führungsstrukturen. Diese enthalten den Bazillus der Freiheit", erläutert der Hallenser Wirtschaftsprofessor.

Dass es in absehbarer Zeit tatsächlich zu einer Vereinigung von Nord- und Südkorea kommen könnte, glaubt der Wissenschaftler nicht. Blums These: "Die Nordkoreaner wissen, dass sie sich nur halten können, wenn sie die Teilung aufrechterhalten."

Die Erfahrung wiedervereinigter Länder - siehe Deutschland - zeige, dass Staatskriminalität verfolgt werde. Somit landete auch Staatsführer Kim Jong Un unweigerlich vor Gericht, weshalb Pjöngjang ein strategisches Interesse habe, die Wiedervereinigung zu verhindern.

"Nicht mal so weit wie in Europa beim Helsinki-Prozess."

Hier gebe es auch eine Übereinstimmung mit China und Russland: Beide Staaten hätten kein Interesse daran, in einem einigen Korea plötzlich die US-Armee vor ihren Grenzen stehen zu haben.

Immer vorausgesetzt, dass es nicht zu einer militärischen Katastrophe komme, könne es in Korea nur einen langwierigen Konvergenz-Prozess im Rahmen der Zweistaatlichkeit geben. "Wir sind in Korea nicht mal so weit, wie in Europa beim Helsinki-Prozess."