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Grünen-Chefin Simone Peter will sich beim Bau der A 14 nicht festlegen "Image als Verbotspartei hat uns getroffen"

22.01.2014, 01:29

Nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl wollen die Grünen ihr Verbots-Image loswerden. Im Interview mit Matthias Stoffregen erklärt Grünen-Chefin Simone Peter, wie das gehen soll.

Volksstimme: Frau Peter, wie haben Sie sich nach der Bundestagswahl als Partei-Chefin eingelebt?
Simone Peter: Gut eingelebt, dynamisch eingelebt. Wir haben sofort mit der Ausarbeitung unseres Europawahl-Programmes begonnen und wenige Wochen nach der Neuwahl des Bundesvorstandes einen Entwurf vorgelegt, den unsere Mitglieder jetzt diskutieren können. Darin beschreiben wir, wie wir Grüne Europa erneuern und zusammenhalten wollen.

Volksstimme: Ein Punkt, weshalb die Grünen bei der Bundestagswahl nicht gut abgeschnitten haben, war das Image der Verbotspartei - können Sie das bis zur Europawahl ablegen?
Peter: Dieser Vorwurf hat uns natürlich sehr getroffen. Natürlich braucht es, etwa im Klima- und Verbraucherschutz, klare Regeln und manchmal auch Verbote. Aber darauf reduziert zu werden, ist nicht das, was wir wollen, und es entspricht auch nicht dem grünen Selbstverständnis. Wir wollen niemanden gängeln, sondern ökologische und soziale Leitplanken durchsetzen.

"Es geht uns um Massentierhaltung und Verbraucherschutz."

Volksstimme: Haben die Grünen das Problem, dass ihre Themen zu kompliziert sind? Hinter dem Veggie-Day vermuteten viele Wähler weniger ein ökologisches Anliegen, sondern ein Fleisch-Verbot.
Peter: In unserem Europaprogramm wollen wir den Bürgern unsere Ziele genau erklären: Es geht uns beispielsweise darum, Massentierhaltung zu beenden und die Verbraucher zu schützen, die kein Hormon-Fleisch mehr wollen und keine Tierquälerei in den Ställen. Das ist die große Mehrheit der Menschen in unserem Land.

Volksstimme: Das Bundesverwaltungsgericht hat nach einer Klage des Umweltverbands BUND den Weiterbau der A14 gestoppt. Ganz stark mit der A14 in Verbindung gebracht werden die Grünen, die auch gegen den Bau sind. Schüren Sie hier nicht weiter das Image der Dagegen-Partei? Sind große Infrastrukturprojekte mit den Grünen überhaupt noch zu machen?
Peter: Was den Erhalt der Infrastruktur angeht, sind doch gerade die Grünen eine Dafür-Partei. Uns geht es nicht um die Ablehnung von Straßenbauprojekten, wir weisen vielmehr darauf hin, dass es derzeit zu wenig Mittel gibt, um Straßen, die wir haben, zu erhalten. Da fehlen uns bundesweit 130 Milliarden Euro. Deshalb gilt für uns: Erhalt vor Neubau.

Volksstimme: Sie verändern also die Argumentation. Ihnen geht es nicht mehr um die Umwelt, sondern Sie sagen, wir haben kein Geld für den Weiterbau der A14.
Peter: Nachhaltigkeit gilt ja nicht nur beim Umweltschutz. Wir müssen fragen, wo es sich lohnt, Straßen zu erhalten und wo wir gezielt ausbauen, gerade in Regionen, in denen die Bevölkerung zurückgeht. Denn das Geld, das in Straßen fließt, fehlt an anderen Stellen. Deshalb wollen wir Lückenschlüsse bei Straßen dort, wo sie sich nachhaltig lohnen. Und Nachhaltigkeit enthält neben der sozialen und wirtschaftlichen auch eine umweltpolitische Komponente.

"Wir wollen Lückenschlüsse dort, wo sie sich nachhaltig lohnen."

Volksstimme: Welche große Infrastrukturmaßnahme auch im Zusammenhang mit der Energiewende würden Sie sich denn wünschen?
Peter: Die grünen Länder haben alle am Netzentwicklungsplan mitgearbeitet. Die Bundesregierung konterkariert gerade jetzt diesen Plan durch ihre Herabsetzung der Ausbauziele für erneuerbare Energien.

Volksstimme: Inwiefern sind Sie denn dafür, Stromtrassen zu legen und den Bau von Pumpspeicher-Kraftwerken im Süden Deutschlands voranzutreiben? Bislang ist oft nur von den Offshore-Projekten im Norden die Rede.
Peter: Wir brauchen beides. Der Reiz der Energiewende liegt darin, große Kapazitäten dezentral auszubauen. Das Ziel des Netzentwicklungsplanes war ja auch, die Projekte in den einzelnen Ländern sinnvoll zu koordinieren. Da ist in den vergangenen Jahren allerdings wenig passiert. Umweltminister Gabriel ist jetzt in der Pflicht, hier etwas voran-zutreiben.

Volksstimme: Liegt das an den sogenannten Wut-Bürgern?
Peter: Das liegt nur im seltensten Fall am Protest von Bürgerinnen und Bürgern. Man muss die Bürger allerdings frühzeitig an Projekten beteiligen und sie bei der Finanzierung einbeziehen. Das wird dann auch angenommen. Wir haben zum Beispiel einige Bürger-Energiegenossenschaftsmodelle, wo es keine einzige Einwendung gab.

Volksstimme: Wie wollen Sie denn die steigenden Energiepreise in den Griff bekommen?
Peter: Die Stromkosten müssen gerechter verteilt werden. Es wurden zum Beispiel zu viele Unternehmen von der EEG-Umlage befreit, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Außerdem arbeiten wir an Fonds-Modellen, damit die Energiewende nicht allein auf die Stromkunden umgelegt wird. Und wir müssen von den teuren fossilen Energien loskommen. Denn wenn es um die Bezahlbarkeit von Energie geht, sind steigende Öl- und Gaspreise langfristig das größte Problem.

"Auch der Liberalismus zählt zu unseren Grundwurzeln."

Volksstimme: Würde es helfen, von dem Verbots-Image wegzukommen, wenn die Grünen künftig stärker auf liberale Themen setzen, wie sie einst die FDP im Bundestag vertreten hat?
Peter: Auch der Liberalismus zählt zu unseren Grundwurzeln, allerdings nicht in dem Sinne, wie ihn die FDP interpretiert hat. Die emanzipatorische, offene, gerechte Gesellschaft hat die FDP zuletzt in der Regierung nicht mehr vertreten. Ein Beispiel ist der NSA-Datenskandal: Da war die FDP in der Regierung und hat nichts gegen die Ausspähung unserer Daten getan. Auch bei der Gleichstellung homosexueller Paare hat die FDP nur abgewartet, wie die Gerichte urteilen, um dann politisch nachzubessern. Wir haben da den Anspruch, das Individuum ernst zu nehmen.

Volksstimme: Wollen Sie künftig noch als Steuererhöhungs-Partei gelten?
Peter: Wir werden uns nicht davon verabschieden die Einnahmesituation des Staates verbessern zu wollen, um den Investitionsbedarf bei Kitas, Straßen und Schienen zu decken. Dazu braucht es auch ein gerechteres Steuersystem. Aber wir müssen die Ziele nach vorne stellen: Wir wollen den Schuldenberg abbauen und in die Zukunft investieren.