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Im Gaza-Kessel 200.000 Menschen auf der Flucht

Israels Streitkräfte kämpfen im dicht besiedelten Gazastreifen mit militanten Palästinensern. Für Zivilisten ist es die Hölle. Flucht ist kaum möglich.

22.07.2014, 01:21

Gaza/Tel Aviv (dpa) l Der Gaza-Krieg hat in zwei Wochen schon mehr als 500 Menschenleben gefordert und droht noch blutiger zu werden. Die israelische Bodenoffensive gegen militante Palästinenser im Gazastreifen entwickelt sich immer mehr zu einem verlustreichen Häuserkampf. Mehr als 3300 Menschen wurden bereits verletzt. Bis zu 200 000 sind nach palästinensischen Angaben in dem abgeriegelten Küstenstreifen auf der Flucht.

Es könnten noch schwere Tage bevorstehen, kündigt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Ausweitung der Offensive an. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reiste angesichts der dramatischen Lage in die Region. Am Abend wurde US-Außenminister John Kerry in Kairo erwartet, um eine Feuerpause im Gaza-Konflikt zu unterstützen.

Selbst Krankenhäuser geraten ins Visier. Bei israelischem Artilleriebeschuss einer Klinik kamen nach palästinensischen Angaben vier Menschen ums Leben und etwa 50 wurden verletzt. Ein Großteil der Opfer gehörten zum medizinischen Personal der Klinik in Dir el Balah, sagte der Leiter der Rettungsbehörden im Gazastreifen, Aschraf al-Kidra.

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus im Zentrum der Stadt Gaza wurden nach palästinensischen Angaben acht Menschen getötet. Die Hälfte davon seien Kinder gewesen, teilten die örtlichen Rettungsdienste mit. Bei einem israelischen Luftangriff in Rafah wurden neun Mitglieder einer Familie getötet, darunter vier Minderjährige.

Der UN-Sicherheitsrat forderte eine Feuerpause und den Schutz von Zivilisten. "Wir sind sehr besorgt um die Zivilisten im Kampfgebiet", hieß es.

Die Bundesregierung appellierte an Israelis und Palästinenser, bei den Kämpfen im Gazastreifen Zivilisten zu verschonen. Es seien bereits viel zu viele Unschuldige ums Leben gekommen, erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, im Namen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

Radikale Palästinenser feuerten weiter Raketen auf Israel ab - am Montag heulten erstmals seit drei Tagen wieder die Sirenen in Tel Aviv. Nach Angaben der israelischen Armee wurden zwei Raketen über Tel Aviv und drei Raketen über Aschdod abgeschossen. Die Hamas teilte mit, sie habe vier Raketen des Typs M-75 auf Tel Aviv abgefeuert.

In Gaza wurden allein im dicht bewohnten Viertel Sadschaija bei Gefechten in der Nacht zehn Hamas-Kämpfer getötet, wie der israelische Militärsprecher Peter Lerner mitteilte. Mindestens zehn weitere bewaffnete Palästinenser wurden demnach bei einem versuchten Anschlag getötet. Sie waren durch Tunnel aus dem nördlichen Gazastreifen nach Israel vorgedrungen.

In Sadschaija seien mehrere Tunnel gefunden worden, sagte Lerner. Die Tunnel führen unterirdisch auf israelisches Gebiet und sollen für Anschläge und Entführungen genutzt werden. Auch Raketen werden häufig aus den dicht besiedelten Wohnvierteln auf Israel abgefeuert. Seit Beginn des Bodeneinsatzes am Donnerstag nahm die Armee nach eigenen Angaben 20 Palästinenser fest.

Auf israelischer Seite übersteigt die Zahl der Toten bereits die Verluste bei der Operation "Gegossenes Blei", die im Januar 2009 endete. Damals waren zehn Soldaten und drei Zivilisten getötet worden, heute sind es bereits 18 Soldaten und zwei Zivilisten. Die Zahl der getöteten Palästinenser wurde bislang mit etwa 550 angegeben. Im Gazastreifen leben rund 1,8 Millionen Menschen.

Nach gescheiterten Friedensinitiativen und andauerndem Beschuss aus dem Gazastreifen hatte Israel am 8. Juli mit Luftangriffen auf Ziele der Hamas begonnen. Am 17. Juli startete Israel seine Bodenoffensive, unterstützt von Luftwaffe und Marine.