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Kanzlerin fordert Abgrenzung vom Terror und will zurück zur Vorratsdatenspeicherung "Kein Generalverdacht gegen Muslime"

Die Sicherheitsdebatte nach Paris ist im Parlament angekommen. Die
Kanzlerin verbindet zwei Botschaften: Schutz und Fürsorge für Muslime in
Deutschland - und der Islam soll sich klar vom Terror abgrenzen.

16.01.2015, 01:00

Berlin (dpa) l Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Muslime in Deutschland nach den Terroranschlägen von Paris zur eindeutigen Abgrenzung vom Terror im Namen des Islam aufgerufen. Dabei sei vor allem die muslimische Geistlichkeit gefordert, sagte die CDU-Chefin am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Zugleich nahm Merkel die etwa vier Millionen Muslime hierzulande gegen pauschale Schuldzuweisungen in Schutz. "Jede Ausgrenzung (...), jeder Generalverdacht verbietet sich." Die allermeisten Muslime in Deutschland seien "rechtschaffene, verfassungstreue Bürger".

Fremdbilder im Kopf

Ohne die Anti-Islam-Bewegung Pegida, die seit Wochen Zehntausende in Dresden anzieht, beim Namen zu nennen, betonte Merkel: "Wir alle haben Fremdbilder im Kopf" - sie beständen aus "Erfahrung, Gehörtem, aus ungeprüften eigenen Vorstellungen, auch aus Ängsten. Bei manchen werden Fremdbilder zu Feindbildern." Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte, Pegida betreibe "Demagogie statt Aufklärung".

Bei den Anschlägen in Paris hatten islamistische Attentäter zwischen Mittwoch und Freitag voriger Woche 17 Menschen getötet. In der Folge kam in Deutschland wieder die Forderung nach einer Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung auf. Das gab am Donnerstag dem Streit im Bundestag neuen Schub. Merkel plädierte demonstrativ für eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung und sprach sich dafür aus, die EU-Kommission zur Vorlage einer neuen Richtlinie zu drängen und diese dann auch in Deutschland umzusetzen.

SPD ist noch gespalten

Der Begriff Vorratsdatenspeicherung steht für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten der Bürger, die Ermittlern bei der Jagd nach Terroristen und Schwerverbrechern helfen soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Vorgaben dazu 2010 verworfen.

Die SPD ist in der Frage gespalten: Die Parteispitze müht sich um Ausgleich zwischen Befürwortern und Kritikern in den eigenen Reihen - und um Signale der Kompromissbereitschaft an den Koalitionspartner CDU/CSU. Die SPD-Innenminister in den Ländern halten die Datenerfassung für nötig, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dagegen sieht keine Grundlage für eine Wiedereinführung.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte im Bundestag: "Darüber sollten wir in der Koalition in Ruhe reden." Zunächst müssten jedoch Vorschläge der EU-Kommission für eine neue Richtlinie abgewartet werden. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich in der "Süddeutschen Zeitung" prinzipiell offen für eine Wiedereinführung, warnte aber von übereilten Aktionen.

Linke und Grüne lehnten eine Wiedereinführung der anlasslosen Massenspeicherung von Verbindungsdaten ab. "Mehr Datenspeicherung und vermeintliche Gesetzesverschärfungen sind falsche Reflexe", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Mehr Personal

Merkel stellte eine Stärkung des Sicherheitsapparats in Aussicht. "Wir müssen den Sicherheitsbehörden insgesamt die erforderliche personelle und finanzielle Ausstattung verschaffen, die sie benötigen, um unsere Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten." Die Kanzlerin verwies darauf, dass die schwarz-rote Regierung eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht habe, damit Behörden verdächtigen Terroranhängern künftig den Personalausweis abnehmen können, um eine Ausreise in Kampfgebiete zu verhindern.