1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. "Ergebnis sektiererischer Politik"

Griechenlands neue Regierung "Ergebnis sektiererischer Politik"

Von Jörn Wegner 28.01.2015, 02:03

Mit der Koalition zwischen dem Linksbündnis Syriza und den Unabhängigen Griechen (ANEL) entsteht in Europa eine Regierung aus Linkssozialisten und Rechtskonservativen. Die ungleichen Partner sorgen für Diskussionen. Wie ist es möglich, dass Linke und Rechte eine Koalition eingehen?

Syriza verstehe ihr Mandat nicht darin, Politik in einem klassischen Rechts-Links-Schema zu verändern, sagt Elias Dinas, der an der Universität Oxford unter anderem zum griechischen Parteiensystem forscht, der Volksstimme. "Es ist eher ein Mandat innerhalb der Politikfelder Sparpolitik und EU." Aus dieser Perspektive sei der Unterschied zwischen Syriza und den Rechtspopulisten nur gering. Syriza betrachte die Verhandlungen mit Brüssel als herausragendes Projekt, hinter dem andere politische Fragen zurückstünden. Dass sich Syriza überhaupt für die Rechtspopulisten entschieden habe, "während die ganze Welt auf sie schaut", sei allerdings ein Hinweis auf deren "innere Beschränktheit".

Der Magdeburger Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch weist darauf hin, dass Syriza nicht in das deutsche Links-Rechts-System zu übertragen sei. In Griechenland sei eine "Anti-Establishment-Bewegung" erfolgreich gewesen, "mehr als ein Abwählen der alten korrupten Eliten". Solch eine Bewegung sei nicht an linke Programmatik gekoppelt. Renzsch nennt die Abwahl der korrupten sozialdemokratischen Regierung durch Liberal-Konservative in Rumänien als Beispiel. Auch die rechtskonservative AfD könne als Partei einer solchen Bewegung angesehen werden.

Kommunistische Partei hat sich verweigert
Erschwerend für die Koalitionsfindung war der Wegfall der zwei "natürlichen" Koalitionspartner von Syriza: Mit der linksliberalen To Potami wäre die EU-Politik nicht umsetzbar gewesen, während die kommunistische KKE Syriza als ihren Hauptgegner ansieht. Unter diesen Umständen blieb nur die ANEL, die zwar eine nationalistische und antiliberale Programmatik hat, sich aber dennoch von der militanten Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" unterscheidet.

Richard Seymour von der London School of Economics, der sich mit der europäischen Linken beschäftigt, gibt der KKE eine Mitschuld an der Koalition. "Ihr verrückter Standpunkt, jedes Gespräch mit Syriza zu verweigern, spielt eine maßgebliche Rolle. Das ist das Ergebnis ultra-sektiererischer Politik", schreibt Seymour in seinem Blog "Lenin`s Tomb".

Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Ioanna Meitani vom Athener Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung: "Die KKE hat es vorneweg verweigert, überhaupt in die Verhandlungen für die Regierungsbildung mit Syriza zu gehen. Eine Zusammenarbeit mit ANEL war eine vernünftige Lösung."

Tatsächlich zeichnet sich das Verhältnis von KKE und Syriza durch tiefe Abneigung aus. Die Kommunisten werfen Tsipras und seinem Linksbündnis vor, durch Reformpolitik die Europäische Union zu stützen. Das Staatenbündnis sieht die KKE als kapitalistisches nicht reformierbares Projekt an. Syriza bemühe sich, "das wahre Gesicht des Kapitalismus vor den Augen der arbeitenden Menschen systematisch zu verbergen", heißt es in einem Positionspapier aus dem Zentralkomitee der KKE.

Koalition aus Mangel an Alternativen
Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender der Linken im Magdeburger Landtag, spricht von "schweren Hürden", die für die Athener Koalition überwunden werden mussten. Der Sieg von Syriza markiere aber einen "überwältigenden Sieg für Kritik von links und gegen Fremdenhass." Dass sich die Griechen mit der Wahl von Syriza für eine Krisenlösung ohne Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entschieden haben, sei "keine Selbstverständlichkeit". Die Koalition sei aus Mangel an Alternativen zustandegekommen. "Mit Pasok und To Potami würde es keine Neuverhandlungen geben", so Gallert, und für die KKE sei der Hauptgegner die Syriza selbst. "Die Alternative wären Neuwahlen." Wer jetzt von oben herab über die Koalition urteilt, der solle nach Griechenland fahren, und die Folgen der Krise vor Ort erleben, so Gallert im Volksstimme-Gespräch. Eine ähnliche Koalition in Deutschland schließt Gallert kategorisch aus. Die Situation in Griechenland sei nicht mit der in Deutschland zu vergleichen.