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Sicherheitspolitik Bismarck und die Bündnis-Kunst

In seinem 200. Geburtsjahr ist Otto von Bismarck in aller Munde. Auch weil Grundsätze wie das von ihm vertretene Primat der Politik gegenüber militärischer Gewalt sich bis heute bewähren, wie bei einem Expertenforum in Berlin deutlich wird.

Von Steffen Honig 27.04.2015, 03:32

Berlin l Bei den Clausewitz-Gesprächen in Sachsen-Anhalts Landesvertetung in Berlin wird die übliche Damen/Herren-Begrüßungsformel gern um "die Herren Generale" erweitert. Wenn Sicherheitsfragen debattiert werden, sind aktive und frühere Militärs reichlich vertreten. Erst recht, wenn in der "Möwe" eine Brücke von Bismarck zu heutiger Sicherheitspolitik geschlagen werden soll. Für das Leben und Wirken gibt es kaum einen besseren Kenner als Michael Epkenhans, Militärhistoriker und von 1996 bis 2009 Direktor der Otto-von-Bismarck-Stiftung. Zu dem, was man vom Fürsten lernen könne, zählt Epkenhans die Regel: "Politik ist die Kunst des Möglichen."

Die sich daraus ergebende Bündnispolitik Bismarcks beschreibt Epkenhans anschaulich als Suche nach Wegen, "dass ins Schlingern geratene Schiff wieder auf Kurs zu bringen". Also verbündete sich Deutschland nach der deutschen Reichsgründung 1871 mit Österreich-Ungarn und Russland, um Frankreich zu neutralisieren. Freilich habe Bismarck dabei aus Egosimus und nicht aus Romantik gehandelt, merkt der Historiker an. Die Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 zeigten, "dass Bismarck bereit war, Kriege zu führen".

Dem Reichskanzler sei aber klar gewesen: "Jeder Krieg konnte nur Konstellationen hervorrufen, die nicht mehr beherrschbar waren."

"Der europäische Gedanke war Bismarck fremd." - Militärhistoriker Michael Epkenhans

Seine Nachfolger hielten sich nicht daran: Der Abdankung Bismarcks folgte eine "Orientierungslosigkeit der deutschen Außenpolitik", wie der Militärhistoriker bemerkt. Was in der Konsequenz schlimmste Folgen hatte - den Ersten Weltkrieg. Bismarck war ein Mann seines Standes und seiner Zeit, die starke Nationalstaaten prägten. Epkenhans konstatiert: "Der europäische Gedanke war Bismarck fremd." Das erschwert es, die Erfolge seiner Politik auf die Neuzeit zu adaptieren, in der die Europäische Union den Geschicken des Kontinents ihren Stempel aufdrückt.

Diese verantwortet der österreichische Generalleutnant Wolfgang Wosolsobe mit. Er ist Generaldirektor des Militärstabs der EU. "Die europäische Sicherheitsarchitektur ist mehr als die Europäische Union", erklärt der General, "Nato, EU und OSZE überschneiden sich." Anders als zu Bismarcks Zeiten, erklärt der Militär, seien von den fünf Großmächten heute vier Mitglieder der Europäischen Union.

Bleibt Russland, das heute als Regionalmacht zwar militärisch stark sei, aber sonst Schwächen aufweise. Krim-Besetzung und Ukraine-Krise hätten das Vertrauen in den Nachbarn im Osten nachhaltig erschüttert. "Russland ist ein Faktor der Sicherheitsordnung, aber kein Partner."

"Es wird unser Wertesystem angegriffen." - EU-Stabschef Wolfgang Wosolsobe

Als enorme Gefahr wertet Wosolsobe die Bedrohung durch den Terrorismus. Organisationen wie der Islamische Staat kämpften nicht gegen Territorien: "Es wird unser Wertesystem angegriffen." Die EU könne mit ihren Stärken dagegenhalten. Wosolsobe nennt Wirtschaftskraft, das vorhandene Instrumentarium gegen Konflikte sowie die international anerkannte Position als "glaubwürdiger Makler".

Da schimmert Bismarck ein wenig durch, denn genau als dieser galt der deutsche Kanzler den anderen Mächten in Europa und der Welt. Historiker Epkenhans hebt nicht umsonst die "Pflege von defensiv orientierten Bündnissen" und dessen "Politik des Augenmaßes und der Mäßigung" durch den Fürsten hervor. Auch Bismarcks "Primat der Politik", auf das der Experte verweist, ist gleichfalls ein Kernelement der EU-Sicherheitspolitik.

Die Europäer stehen sich heute jedoch bei der geeinten Verteidigungskraft selbst im Wege. General Wosolsobe: "Die Europakritiker werden stärker." Dem Ringen nach mehr Integration stehe das Streben einzelner Staaten nach mehr Souveränität entgegen. Die Regelungen des Lissabon-Vertrags reichen nach Meinung des Österreichers für eine europäische Sicherheitsstrategie nicht aus.

"Wir müssen die Ziele näher definieren!"Entsprechend zurückhaltend kommentiert er die Idee einer gemeinsamen Europa-Armee. Zunächst brauche man eine europäische Führungsstruktur, meint Wosolsobe, eine eigene Aufklärung und ein eigenes Transportwesen: "Das ist zusammen noch keine Armee, aber die Handlungsfähigkeit würde entscheidend verbessert."