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Ägyptens Präsident in Berlin Stabilität wichtiger als Bürgerrechte

04.06.2015, 01:21

Berlin (dpa) | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die strategische Bedeutung Ägyptens für den Frieden im Nahen Osten und für den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus hervorgehoben. Nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi am Mittwoch in Berlin sicherte Merkel Ägypten Unterstützung zu. Deutschland werde alles tun, damit sich das Land stabilisieren und wirtschaftlich florieren könne. Die Kanzlerin kritisierte aber auch die hohe Zahl von Todesurteilen in Ägypten. "Deutschland lehnt die Todesstrafe ab", sagte sie.

Merkel betonte, gerade in der Koalition gegen den internationalen Terrorismus sei die Stabilität der einzelnen Länder besonders wichtig. "Deshalb sind die Entwicklungszusammenarbeit mit Ägypten sowie die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit von allergrößter Bedeutung." Dafür müssten Genehmigungsverfahren vereinfacht und verlässliche juristische Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Al-Sisi wies Kritik an der Todesstrafe zurück und forderte Deutschland und die Europäer auf, das ägyptische Rechtssystem zu respektieren. Ägypten sei ein Verfassungsstaat. "Wir respektieren die Justiz", sagte er. Viele der verhängten Todesurteile seien noch nicht rechtskräftig. Das gelte auch im Fall des Ex-Präsidenten Mohammed Mursi.

Auf Kritik Merkels an den Einschränkungen der Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo erwiderte Al-Sisi, ausländische politische Stiftungen könnten ihre Tätigkeit fortsetzen. Ägypten sei auf einem guten Weg zu mehr Stabilität: "Auch wir lieben die Demokratie und die Freiheit." Aber niemand wolle Zustände wie in Syrien, Jemen, Libyen oder im Irak. "Das können wir nicht zulassen."

Zum Auftakt seines Besuchs wurde Al-Sisi von Bundespräsident Joachim Gauck mit militärischen Ehren begrüßt. Ebenso wie Merkel hob Gauck in einem Gespräch mit Al-Sisi die Bedeutung der Rechtssicherheit hervor. Mit Bezug auf Einschränkungen der Bürgerrechte sagte er nach Angaben von Teilnehmern, dies belastete das freundschaftliche Miteinander. Al-Sisi sicherte Gauck zu, Parlamentswahlen in diesem Jahr anzustreben.

Bei seinem zweitägigen Besuch wird Al-Sisi von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Zusammen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wollte er an einer Sitzung der Deutsch-Ägyptischen Wirtschaftskommission teilnehmen. Dabei wurden Abkommen mit Siemens zum Bau von drei Gaskraftwerken und 12 Windparks im Wert von zusammen acht Milliarden Euro unterzeichnet. Nach seinem Aufenthalt reist al Sisi für zwei Tage nach Ungarn.

Seit seiner Wahl vor einem Jahr regiert der 60-Jährige ohne Parlament. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der ein zunächst geplantes Treffen mit Al-Sisi abgesagt hat, äußerte sich enttäuscht über die Entwicklung in Ägypten. Statt einer Perspektive in Richtung Wahlen gebe es eine systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen, sagte Lammert der dpa in Berlin.