1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Von Werten und Taten - Streibare Debatte in Zerbst

Deutsch-russische Beziehungen Von Werten und Taten - Streibare Debatte in Zerbst

Katharina die Große als historische Klammer: In Zerbst, der Residenzstadt ihres Geschlechts, wird über eine neue Ostpolitik debattiert. Mit dabei sind Russlands Botschafter Grinin und Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Platzeck.

Von Steffen Honig 10.06.2015, 03:20

Zerbst l Russlands Botschafter in Berlin ist nicht für lebhaftes Mienenspiel bekannt. In der Zerbster Stadthalle wechselt der Gesichtsausdruck Wladimir Grinins jedoch am Montagabend bald von unbewegt auf freundlich, er erhält - anders als in mancher Fernseh-Show - reichlich Beifall. Die Stimmung unter den 300 Besuchern in der Stadthalle ist erkennbar pro-russisch. Geladen haben die Friedrich-Ebert-Stiftung und das SPD-Forum-Ostdeutschland.

Das deutsch-russische Verhältnis ist derzeit schwierig. Dieter Orzessek, Präsident der Hochschule Anhalt, bricht am Beispiel seiner Lehreinrichtung eine Lanze für bessere Beziehungen: "Bei uns arbeiten Russen und Ukrainer zusammen. Wir haben 2300 Studenten aus 95 Nationen, da ist Toleranz nötig." Von gegenseitiger Toleranz spricht auch Botschafter Grinin, Ex-Ministerpräsident Platzeck wünscht sich mehr Respekt voreinander.

Arne Lietz: "Das Völkerrecht ist kein Spielzeug."

Doch was kann die Basis sein? Krim-Besetzung und Ukraine-Krise haben klargemacht, wie sehr die politischen Wertvorstellungen Russlands und des Westens auseinandergehen. Platzeck erklärt, die Krim-Besetzung sei ein Bruch des Völkerrechts gewesen. Doch mit Blick auf den Ausschluss Russlands aus der G-8-Gruppe sagt er auch: "Als die Amerikaner im Irak einmarschiert sind, hat sie auch keiner ausgeladen bei G 8."

Das begreift Hochschul-Chef Orzessek offenbar als Steilvorlage und bekundet: "Die Wertegemeinschaft hängt mir zum Halse raus."

Arne Lietz, Wittenberger SPD-Europaabgeordneter, sieht westliche Werte dagegen existenziell: "Das Völkerrecht ist kein Spielzeug." Er erwischt den russischen Botschafter an einem wunden Punkt, als er in die Runde wirft, dass der europafeindliche französische Front National von russischen Banken mitfinanziert worden sei. "Das waren wir nicht!", entfährt es Grinin.

Um aber korrigierend hinterherzuschieben, dass die Banken nicht genau wüssten, wen sie da finanziert hätten. Wichtiger als das westliche Wertesystem ist für den Diplomaten ohnehin, dass es in den vergangenen 25 Jahren nicht zu einem euroasiatischen Sicherheitssystem gekommen ist.

Die Debatte zeigt: Eine Wiederannäherung zwischen dem Westen und Russland wird es nur über pragmatische Lösungen geben. Grinin beschreibt das Prinzip so: "Durch konkrete Taten den anderen überzeugen."