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Unabhängige Patientenberatung Patienten-Rat bald nur aus der Ferne

Neutrale und noch dazu kostenlose Beratung - dieses Angebot wird von
vielen Patienten geschätzt. Zum Jahresende könnte es damit vorbei sein.

Von Steffen Honig 22.07.2015, 16:02

Magdeburg l Sie wird gut genutzt - die Unabhängige Patientenberatung (UPD) Sachsen-Anhalt mit Sitz in Magdeburg. Auf 4000 bis 4200 Beratungen im Jahr können die Mitarbeiterinnen Anja Girschik, Sandra Hein und Franziska Harpke verweisen. Alle drei haben einen Hochschulabschluss im gesundheitlichen oder juristischen Bereich. Sie bieten Rat zu Patientenrechten, Konflikten mit Ärzten oder Krankenkassen oder helfen bei der Suche nach Ärzten, Therapeuten, Kliniken und Selbsthilfegruppen.

Seit 2007 gibt es die Unabhängige Patientenberatung, die zunächst Modellcharakter trug. 2011 wurde daraus eine Regelversorgung. Die Ratsuchenden können anrufen, das Internet nutzen, schriftlich ihr Problem darlegen - aber vor allem persönlich in der Beratungsstelle vorbeischauen. "Das ist wichtig für Menschen, die psychisch belastet oder technisch nicht entsprechend ausgerüstet sind", sagt Beraterin Sandra Hein in einem Volksstimme-Gespräch. "Mancher hat auf Grund seiner Erkrankung so viele Probleme, dass diese sich nicht am Telefon klären lassen", ergänzt Kollegin Anja Girschik.

Doch gerade diese persönliche Beratung steht auf dem Spiel. Die Patientenberatung ist entsprechend gesetzlicher Vorgaben neu ausgeschrieben worden. Den Zuschlag soll nach Medienberichten das Privatunternehmen Sanvartis erhalten. Damit würde die Beratung auf eine Callcenter-Modell schrumpfen.

Heike Rabenow ist Vorsitzende des Vereins "Wohl und Wehe", der neben der Verbraucherzentrale Gesellschafter der Unabhängigen Patientenberatung in Sachsen-Anhalt ist. Sie sieht die Existenz der Beratungsstelle Magdeburg gefährdet, wenn das Callcenter tatsächlich den Zuschlag bekommt. "Die bis zu 400 Ratsuchenden im Monat stünden dann vor verschlossenen Türen und unsere drei Mitarbeiterinnen auf der Straße. Gerade die Ratsuchenden mit psychischen Beeinträchtigungen ziehen ein persönliches Gespräch vor. Mit einer bundesweiten Telefonberatung können sie nichts anfangen."

Sanvartis sei zudem nachweislich ein Dienstleister der Krankenkassen. Daher könne hier nicht mehr von der gesetzlich geforderten Unabhängigkeit ausgegangen werden.

Die Vereinsvorsitzende verweist auf das Angebot, das die UPD vorgelegt habe. So solle die Beratungskapazität durch die zusätzlichen Fördermittel von 80 000 auf 200 000 Beratungen bundesweit gesteigert werden. Aufgestockt werden könnten so die Zahl von Beratungstellen und Mitarbeitern.

Politische Unterstützung erhalten die Patientenberater von der Landtagsfraktion der Grünen. Deren gesundheistpolitische Sprecherin Verena Wicke-Scheul erklärt: "Ohne die ZUstimmung des Patientenbeauftragten der Bundesregierung Karl-Josef-Laumann von der CDU kann die Auftragserteilung an das Callcenter nicht erfolgen." Ministerpräsident Reiner Haseloff solle sich gegenüber seinem Parteikollgen für die Patienten im Land einsetzen.