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Franziska Hönl aus Oebisfelde leistete Entwicklungshilfe in Haiti und im Tschad für Ärzte ohne Grenzen "Ich möchte vom Glück, hier geboren zu sein, etwas abgeben"

Von Josephine Schlüer 12.05.2011, 04:30

Dass Menschen sterben müssen, weil sie arm sind, hat Franziska Hönl kürzlich mit eigenen Augen ansehen müssen. Die 25-jährige Krankenschwester aus Oebisfelde (Landkreis Börde) beteiligte sich an einer Hilfsaktion von Ärzte ohne Grenzen zur Bekämpfung der Cholera in Port au Prince, der Hauptstadt Haitis. Wegen des verheerenden Erdbebens im Januar 2010 breitete sich die Infektionskrankheit etwa ein halbes Jahr später unter den Einwohnern des Inselstaates rasant aus. Verschmutzte Gewässer boten den nötigen Nährboden.

"Nach unserer Ankunft Anfang Dezember stürmten täglich mehrere hundert Menschen zu uns, um in den Zelten von Ärzte ohne Grenzen behandelt oder geimpft zu werden. Wir haben rund um die Uhr in Schichten gearbeitet, was sehr anstrengend war."

Der Tod eines zweijährigen Jungen ist Franziska Hönl besonders im Gedächtnis geblieben. "Es konnte nicht geklärt werden, woran der Junge gestorben ist, weil die medizinische Ausstattung dafür einfach fehlte." In Deutschland könnte der Junge vielleicht noch leben, meint die 25-Jährige. "Es ist deprimierend zu realisieren, dass Geld und Gesundheit so eng miteinander verbunden sind."

Nach ihrer Rückkehr aus Haiti erlitt Franziska Hönl einen Kulturschock. "Auf einmal kamen mir die eigenen Sorgen und die meiner Mitmenschen so klein vor." Erst jetzt könne die junge Frau wirklich schätzen, was es heißt, ein Recht auf Bildung und medizinische Versorgung zu haben. "Ich lebe jetzt viel bewusster", fügt sie hinzu.

Die Erfahrung motivierte Hönl zu einem weiteren Einsatz, der sie für einen Monat von Anfang März bis Anfang April in den zentralafrikanischen Tschad führte. Auch dort gibt es nur eine dürftige medizinische Versorgung, weshalb regelmäßig Krankheiten wie Malaria, Cholera und die lebensgefährliche Meningitis ausbrechen. Letztere ist das derzeitige Hauptproblem in dem afrikanischen Land. "Wir haben Kinder, Frauen und Männer geimpft sowie bereits Erkrankte behandelt."

Das Basislager dafür sei in Kelo errichtet worden, einer Stadt im Süden des Tschads. Für eine möglichst effektive Arbeit seien mehrere Teams gebildet worden.

Eine Mannschaft war ausschließlich damit beschäftigt, in den Dörfern Zeitpunkte für den Aufbau der Impfstationen abzusprechen. Hier musste gut koordiniert werden, damit sich die Anhänger verfeindeter Stämme nicht begegnen. Andere Teams publizierten das Angebot in den Dörfern, wieder andere impften oder fuhren die Stationen ab, um festzustellen, wo Impfstoff-Nachschub benötigt wird, was auch die Aufgabe der jungen Krankenschwester war.

Woher ihre Motivation zur Entwicklungshilfe stammt? Franziska Hönl interessiere sich sehr für Albert Schweitzer, dem Gründer des Krankenhauses in Lambaréné in Gabun, für sein Leben und Wirken. "Für mich steht schon lange fest, dass ich humanitäre Hilfe leisten möchte, denn mir ist bewusst, welches Glück ich habe, hier geboren zu sein. Davon will ich etwas abgeben." Außerdem möchte die 25-Jährige so viel wie möglich über fremde Kulturen und Lebensweisen erfahren. Derzeit befindet sie sich im Bewerbungsverfahren um ein Medizinstudium.

Um auch andere Frauen und Männer vielleicht für einen Einsatz bei Ärzte ohne Grenzen zu animieren, stellt sie klar: "Nicht nur medizinisches Personal wird für die Einsätze gesucht. Unter den Helfern sind auch Tischler, Maschinenbauer und Elektrotechniker. Prinzipiell kann sich jeder bewerben."

Ärzte ohne Grenzen leistet medizinische Nothilfe, wo dasLeben vieler Menschen bedroht ist, ohne nach Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung zu fragen. Der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Verein feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag. Sektionen in insgesamt 19 Ländern, so auch in Deutschland, bilden das internationale Netzwerk der Organisation, die in etwa 60 Ländern der Erde aktiv ist.